Neuberechnung des Rentenniveaus

Neue Berechnung des Rentenniveaus

Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung

Johannes Steffen | Juli 2018

1. Vorbemerkung

Zur Messung der Leistungsfähigkeit des Systems der allgemeinen Rentenversicherung wird regelmäßig auf das Rentenniveau Bezug genommen; es mißt das Verhältnis zwischen einer standardisierten Altersrente sowie dem Durchschnittsentgelt der Versicherten. Veränderungen des Rentenniveaus zeugen von veränderten Verteilungsrelationen. Gleichzeitig bietet das Messverfahren jedoch auch viel Raum für missverständliche Interpretationen; dies um so mehr, weil die verwendeten Euro-Beträge zur Bestimmung des Niveaus für Außenstehende nur unter großen Mühen nachvollziehbar sind. Das im RV-LVuStabG Entwurf für ein Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehene neue Berechnungsverfahren zur Bestimmung des so genannten Sicherungsniveaus vor Steuern (SvS) macht die Nachvollziehbarkeit künftig noch schwieriger. Zwar gibt die Entwicklung des Rentenniveaus auch in Zukunft ausreichend Auskunft über die Entwicklung der »systemischen« Verteilungsverhältnisse (Leistungsfähigkeit des Rentensystems) – aufgrund einer Reihe von Einflussfaktoren hat allerdings die absolute Höhe des Niveaus (Lohnersatzrate) immer weniger Aussagekraft. Um dem »Absolutwert« des Rentenniveaus wieder mehr Relevanz zu verleihen, wäre sein Ausweis als Sicherungsniveau nach Sozialversicherungsbeiträgen (SnSV) hilfreich.

 

2. Verfahren zur Messung des Rentenniveaus

Um Aussagen über die Leistungsfähigkeit der allgemeinen Rentenversicherung treffen zu können, bedarf es eines Verfahrens, das die lohndynamisierten Altersleistungen in Raum und Zeit messbar und damit vergleichbar macht. Die Rente ist Lohnersatz; das Verhältnis zwischen Rente und Erwerbseinkommen gibt mithin Auskunft darüber, bis zu welchem Grad die gesetzliche Rente ihre Lohnersatzfunktion zu erfüllen vermag. Um eventuelle Änderungen der Leistungsfähigkeit im Zeitablauf erfassen zu können, ist ein einheitliches sowie typisierendes Messverfahren erforderlich.

Zentrales Typisierungsmerkmal im Zusammenhang mit der allgemeinen Rentenversicherung als Pflichtversicherungssystem ist eine erwerbslebenslange (lohnbezogene) Beitragszahlung. Die Vorstellungen darüber, welche Dauer für ein Erwerbsleben typisierend zu veranschlagen ist, unterliegen dem gesellschaftlichen Wandel; es handelt sich um politische Konventionen. Werden heute in aller Regel 45 Beitragsjahre unterstellt (Standarderwerbsbiografie), so waren es bis in die 1980er-Jahre lediglich 40 Beitragsjahre. Erst im Vorfeld des Rentenreformgesetzes 1992 wurde ab etwa Mitte der 1980er-Jahre verstärkt eine Erwerbsbiografie mit 45 Jahren als »Standard« in Stellung gebracht. Und vor dem Hintergrund eines sinkenden Rentenniveaus sowie des perspektivisch auf 67 Jahre steigenden Mindestalters für den Bezug einer Regelaltersrente überraschen auch jene Stimmen nicht, die die Standarderwerbsbiografie um weitere zwei auf dann 47 Jahre verlängern wollen. [1] – Die jeweiligen Annahmen führen im Ergebnis zu unterschiedlich hohen Renten. Je mehr Beitragsjahre die Standarderwerbsbiografie umfasst, umso höher fällt c. p. die aus ihr abgeleitete Altersrente und damit auch deren Lohnersatzrate aus. Die Festlegung der Konditionen des Messverfahrens (Standarderwerbsbiografie) hat also Auswirkungen auf das Messergebnis (ausgewiesene Lohnersatzrate), ohne dass sich alleine hierdurch an der strukturellen Leistungsfähigkeit des Sicherungssystems etwas ändert.

Eine zweite Annahme betrifft die Entgeltposition der Standarderwerbsbiografie. Unterstellt wird regelmäßig ein beitragspflichtiger Lohn in Höhe des Durchschnittsentgelts nach Anlage 1 zum SGB VI. Hierbei bezieht sich die Entgeltposition auf den Durchschnitt aus allen 45 Beitragsjahren – und beispielweise nicht alleine auf die vor Rentenbeginn zuletzt erreichte Entgeltposition. Maßgebend ist mithin die im Erwerbslebensdurchschnitt erzielte und versicherte Entgeltposition, da nur diese der Beitragszahlung und damit der Berechnung der Rentenhöhe zugrunde liegt. Aus der Standarderwerbsbiografie mit Durchschnittsverdienst resultiert die Standardrente. Deren Höhe – so eine weitere Annahme – wird nicht durch versicherungstechnische Ab- oder Zuschläge gemindert oder erhöht; der Zugangsfaktor beträgt mithin 1,000. Die Standardrente entspricht damit einer Rente auf Basis von 45 persönlichen Entgeltpunkten (pEP) – oder einfacher: einer Regelaltersrente aus 45 Entgeltpunkten (EP).

Da die in EP gemessenen Rentenanwartschaften aus dem Verhältnis des beitragspflichtigen Entgelts zum Durchschnittsentgelt der Anlage 1 zum SGB VI ermittelt werden, wird als Vergleichsgröße für die Standardrente auf eben dieses Durchschnittsentgelt zurückgegriffen – und nicht etwa auf das Durchschnittsentgelt der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) oder alleine der Vollzeitbeschäftigten nach VGR. Die Relation von Standardrente und Durchschnittsentgelt nach SGB VI ergibt das Rentenniveau:

Standardrente / Durchschnittsentgelt x 100 = Rentenniveau [2].

Vor allem dessen Entwicklung im Zeitablauf dient als Messlatte bzw. als Indikator für die Leistungsfähigkeit des Rentenversicherungssystems und deren eventuelle Veränderung in mittlerer und längerfristiger Perspektive. Zu unterscheiden ist beim Ausweis des Rentenniveaus zudem danach, ob bei der Relation von Standardrente und Durchschnittsentgelt auf Brutto- oder auf Nettogrößen zurückgegriffen wird und danach, welche Abzüge bei einer Nettobetrachtung nach welcher Methodik in Rechnung gestellt werden. [3] Wie bei dem Wert für das Durchschnittsentgelt handelt es sich auch bei der Standardrente um einen Jahresbetrag; dieser setzt sich regelmäßig aus zwei unterschiedlich hohen aktuellen Rentenwerten (AR) zusammen.

2.1 Brutto-Standardrentenniveau

Beim Ausweis des Bruttorentenniveaus (BRN) wird der Bruttobetrag der kalenderjährlichen Standardrente (BStR) ins Verhältnis gesetzt zum Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum SGB VI (BESGB) desselben Kalenderjahres.

Brutto-Rentenniveau

BRN = Bruttorentenniveau, BStR = Brutto-Standardrente, BESGB = Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum SGB VI

Im Jahr 2000 betrug das Brutto-Standardrentenniveau oder die Brutto-Lohnersatzrate

Brutto-Rentenniveau 2000

Das Bruttorentenniveau erlaubt einen ersten groben Vergleich der Einkommenspositionen von Renten und Arbeitsentgelten. Grob ist der Vergleich von Bruttogrößen insofern, da er die unterschiedliche Abgabenbelastung von Renten auf der einen und Arbeitsentgelten auf der anderen Seite durch Sozialbeiträge und Lohnsteuer nicht berücksichtigt.

2.2 Netto-Standardrentenniveau

Dieses Manko wird durch Rückgriff auf das Nettorentenniveau (NRN) weitgehend vermieden, da hier die verfügbaren Einkommen in die Niveauberechnung eingehen. Weil die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung bis 2004 lediglich mit ihrem Ertragsanteil der Besteuerung unterlagen und die Standardrente damit im Ergebnis – und für den Fall, dass keine weiteren steuerpflichtigen Einkünfte erzielt wurden – nicht steuerbelastet war, erübrigte sich in der Praxis der Berechnung des Nettorentenniveaus die Antwort auf die Frage, welche Besteuerungsmerkmale (u.a. Steuerklasse) zugrunde zu legen sind. Zur Feststellung der Abgabenquote der Rente (AQRSVB) bzw. der Rentennettoquote (1 - AQRSVB) mussten daher lediglich die auf die Standardrente durchschnittlich entfallenden Sozialversicherungsbeiträge (SVB) abgezogen werden.

Das verfügbare Durchschnittsentgelt im Nenner des Bruchs wurde – anders als die Netto-Standardrente im Zähler – nicht durch Abzug der auf das Bruttoentgelt rechnerisch fälligen Sozialbeiträge und Steuern (welche Steuermerkmale?) ermittelt, sondern durch Rückgriff auf die Abgabenquote des Arbeitsentgelts (AQAVGR[LSt+SB]) wie sie sich aus den VGR ergibt – also als Anteil der Lohnsteuer (LSt) sowie der Arbeitnehmerbeiträge zu Sozialschutzsystemen (SB) an der Bruttolohn- und -gehaltssumme (BLG). [4] Oder anders: Das Durchschnittsentgelt wurde mit der Nettoquote des Arbeitsentgelts (1 – AQAVGR[LSt+SB]) multipliziert. Ein vergleichbares Verfahren kommt bei der Ermittlung des derzeit verwendeten Sicherungsniveaus vor Steuern zur Anwendung (vgl. Kapitel 2.3).

Netto-Rentenniveau

NRN = Nettorentenniveau, BStR = Brutto-Standardrente, AQRSVB = Abgabenquote Rentner (SV-Beiträge), BESGB = Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum SGB VI, AQAVGR[LSt+SB] = Abgabenquote Arbeitnehmer nach VGR (Lohnsteuer plus Arbeitnehmerbeiträge zu Sozialschutzsystemen)

Seit dem Rentenreformgesetz 1992 galt als impliziter Sicherungsstandard ein Nettorentenniveau von rund 70 Prozent; implizit deshalb, weil das seinerzeit erreichte Sicherungsniveau durch die von da an Platz greifende Nettolohnanpassung der Renten strukturell – und politisch gewollt – in die Zukunft fortgeschrieben wurde. Mit einem solchen Niveau, so eine weitere Konvention, war das Ziel der Lebensstandardsicherung im und durch das System der allgemeinen Rentenversicherung gewährleistet. Im Jahr 2000 ergab sich ein Nettorentenniveau von

Netto-Rentenniveau 2000

Aufgrund des im Jahr 2005 in Kraft getretenen Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) [5] und dem damit eingeleiteten schrittweisen Übergang von der vor- zur nachgelagerten Besteuerung [6] ist das Nettorentenniveau als Maßstab zwischenzeitlich obsolet geworden. Die eine Nettostandardrente gibt es nach den Vorgaben des AltEinkG nicht mehr, da der steuerbare Teil der Rente nunmehr vom Kalenderjahr des Rentenzugangs abhängig ist. Damit liegt perspektivisch der Nettobetrag einer neu zugehenden Standardrente regelmäßig niedriger als bei Standardrenten im Bestand und auch der jüngere Bestand liegt mit seinem Nettobetrag regelmäßig unterhalb desjenigen des älteren Bestandes an Standardrenten.

2.3 Sicherungsniveau vor Steuern

Deshalb weisen die jährlichen Rentenversicherungsberichte der Bundesregierung seit 2004 stattdessen das sogenannte Sicherungsniveau vor Steuern (SvS) aus. Dieses berücksichtigt zwar weiterhin die Belastung der Rente und des Arbeitsentgelts mit Sozialbeiträgen, nicht aber die steuerlichen Abzüge; ins Verhältnis gesetzt werden in Zähler und Nenner insofern neu definierte verfügbare Standardrente und verfügbares Durchschnittsentgelt:

Sicherungsniveau vor Steuern

SvS = Sicherungsniveau vor Steuern, BStR = Brutto-Standardrente, AQRSVB = Abgabenquote Rentner (SV-Beiträge), BESGB = Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum SGB VI, AQAVGR[SB] = Abgabenquote Arbeitnehmer nach VGR (Arbeitnehmerbeiträge zu Sozialschutzsystemen)

Für das Jahr 2000 ergibt sich damit ein Sicherungsniveau vor Steuern in Höhe von

Sicherungsniveau vor Steuern 2000

An Sozialversicherungsbeiträgen auf die Rente sind aktuell (2018) zu berücksichtigen:

  • die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung (7,3 Prozent) und der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz (1,0 Prozent) sowie
  • der volle Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung (2,55 Prozent); hinsichtlich des Beitragszuschlagssatzes für Kinderlose (0,25 Prozent) wird bislang lt. Auskunft des BMAS unterstellt, dass dieser nur für ein Viertel der Renten relevant ist, so dass er mit 0,25 x 0,25 = 0,0625 Punkten in die Abgabenquote der Standardrente einfließt.

Die Belastung des Durchschnittsentgelts mit Sozialabgaben wird – wie schon beim Nettorentenniveau – über die gesamtwirtschaftliche Sozialbeitragsquote des Arbeitsentgelts ermittelt. Die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer nach VGR (AVGR[SB]) umfassen hierbei v.a.

  • die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung sowie
  • die von den Arbeitnehmern finanzierten Beiträge bzw. Prämien an sonstige Sozialschutzsysteme – etwa im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung oder der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge; auch Beiträge zu privaten Kranken- und Pflegeversicherungen zählen zu den Sozialbeiträgen im Sinne der VGR.

Der Anteil der so ermittelten Summe der VGR-Sozialbeiträge an der Bruttolohn- und -gehaltssumme ergibt die Sozialbeitragsquote des Arbeitsentgelts. – Da große Teile der Bruttolohn- und -gehaltssumme nicht der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterliegen (beispielsweise die Beamtenbezüge oder Entgeltbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze), fällt die Sozialbeitragsquote des Arbeitsentgelts (AQAVGR[SB]) merklich niedriger aus als der Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung (AQASVB). So ergibt sich aus den (vorläufigen) VGR-Daten und auf gesamtdeutscher Basis für 2017 eine Sozialbeitragsquote von 0,1740 während die für Arbeitnehmer mit Kind ermittelte Beitragsquote zur Sozialversicherung 0,2053 betrug.

2.4 Sicherungsniveau nach Sozialversicherungsbeiträgen

Die unterschiedliche Methodik bei der Ermittlung der Abgabenquoten in Zähler (verfügbare Standardrente) und Nenner (verfügbares Durchschnittsentgelt), wie sie beim Sicherungsniveau vor Steuern – und zuvor beim Nettorentenniveau – zur Anwendung gelangt, stößt auf grundsätzliche Bedenken. Rentenanwartschaften können nur aus Entgelten bzw. Entgeltbestandteilen erworben werden, die auch der Beitragspflicht zur Rentenversicherung unterliegen. Insofern verbietet sich ein Vergleich der um die tatsächlichen Sozialversicherungsbeiträge bereinigten Standardrente mit einem Durchschnittsentgelt, das um eine Sozialabgabenquote gemindert ist, die aus VGR-Daten ermittelt wird. Im Ergebnis wird das Rentenniveau insofern rechnerisch zu niedrig ausgewiesen. [7] – Und da infolge des AltEinkG die steuerliche Belastung des Arbeitsentgelts bei der Niveauermittlung keine Berücksichtigung mehr findet, besteht insoweit auch keine Notwendigkeit mehr, zur Bestimmung der Abgabenquote des Arbeitsentgelts weiter auf VGR-Daten zurückzugreifen.

Hinzu kommt die mangelnde Transparenz bei der Ermittlung des verfügbaren Durchschnittsentgelts, das sich nur noch einem überschaubaren Kreis von Fachleuten erschließt. Diese und weitere Gründe führten im Jahr 2010 zu dem Vorschlag, das Rentenniveau als Sicherungsniveau nach Sozialversicherungsbeiträgen (SnSV) auszuweisen. [8] Dabei werden die Bruttowerte im Zähler und im Nenner einheitlich um die nach jeweils geltendem Recht maßgebenden Beiträge zur Sozialversicherung (Rentner- bzw. Arbeitnehmeranteil) gemindert. [9]

Sicherungsniveau nach SV-Beiträgen

SnSV = Sicherungsniveau nach Sozialversicherungsbeiträgen, BStR = Brutto-Standardrente, AQRSVB = Abgabenquote Rentner (SV-Beiträge), BESGB = Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum SGB VI, AQASVB = Abgabenquote Arbeitnehmer (SV-Beiträge)

Für das Jahr 2000 ergibt sich hiernach ein Sicherungsniveau nach Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von

Sicherungsniveau nach SV-Beiträgen 2000

Die unterschiedlichen Messverfahren führen für ein und denselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der ausgewiesenen Höhe des Rentenniveaus (Lohnersatzraten). Was allerdings über alle Messverfahren hinweg gleich bleibt, ist die ablesbare Tendenz bei der Entwicklung des Rentenniveaus, das sich immer weiter entfernt hat vom ursprünglichen Ziel der Lebensstandardsicherung.

3. Neudefinition und Neuberechnung des Rentenniveaus ab 2019

Der Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-LVuStabG) sieht u.a. eine Schutzklausel für das Rentenniveau vor. Demnach soll das SvS bis zum Jahr 2025 die Marke von 48,0 Prozent nicht unterschreiten; die Einhaltung dieser Schutzklausel ist bis dahin zu jedem Rentenanpassungstermin zu überprüfen.

Rentenniveaus

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Wie oben erwähnt, setzt sich die Standardrente derzeit aus den regelmäßig unterschiedlich hohen AR des ersten und zweiten Halbjahres zusammen. Und beim Durchschnittsentgelt der Anlage 1 zum SGB VI für das jeweils aktuelle Kalenderjahr handelt es immer um vorläufige Werte. Hinzu kommt, dass die für die Ermittlung des verfügbaren Durchschnittsentgelts notwendige Sozialbeitragsquote des Arbeitsentgelts (AQAVGR[SB]) erst rund 18 bis 24 Monate nach Veröffentlichung des Entwurfs der jeweiligen Rentenwertbestimmungsverordnung (RWBestV) vorliegt und VGR-Daten zudem regelmäßig Revisionen unterzogen werden. Alle oben aufgeführten Rentenniveaus sind daher aus dem einen oder anderen Grund am aktuellen Rand stets vorläufiger Natur.

Damit die Einhaltung der Niveau-Schutzklausel im Verfahren der jeweiligen Rentenanpassung rechentechnisch ohne Ermessensspielraum und eindeutig nachvollziehbar erfolgen kann, wird die Definition des SvS neu gefasst. Diese Neudefinition ist auf Dauer angelegt und damit explizit nicht auf den vorgesehenen Geltungszeitraum der Schutzklausel bis 2025 begrenzt.

3.1 Verfügbare Standardrente

Bislang wird die kalenderjährliche Brutto-Standardrente wie folgt berechnet:

Brutto-Standardrente

BStR = Brutto-Standardrente, AR = aktueller Rentenwert

Für 2018 ergibt sich daraus eine Brutto-Standardrente in Höhe von

Brutto-Standardrente 2018

Ab 2019 wird die kalenderjährliche Brutto-Standardrente unter Zugrundelegung des ab dem 1. Juli des betreffenden Kalenderjahres geltenden AR für 12 Monate berechnet

Brutto-Standardrente (neu)

BStRneu = Brutto-Standardrente nach Neudefinition, AR = aktueller Rentenwert

Durch das neue Berechnungsverfahren fällt die Brutto-Standardrente 2018 um 270 Euro und damit um 1,6 Prozent höher aus:

Brutto-Standardrente (neu) 2018

Zur Bestimmung der verfügbaren Standardrente (verfStR) wird die Brutto-Standardrente derzeit gemindert um den von den Rentnerinnen und Rentnern zu tragenden allgemeinen Beitragsanteil sowie den durchschnittlichen Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung und den Beitrag zur Pflegeversicherung; bei diesem wird der Beitragszuschlag für Kinderlose zu einem Viertel (s.o.) berücksichtigt. Damit beträgt die Abgabenquote der Brutto-Standardrente im ersten wie im zweiten Halbjahr 2018

Abgabenquote Rente

AQRSVB = Abgabenquote der Rentner (SV-Beiträge)

Ab 2019 wird zur Bestimmung der verfügbaren Standardrente (verfStRneu) die Brutto-Standardrente gemindert um den von den Rentnerinnen und Rentnern zu tragenden allgemeinen Beitragssatzanteil sowie den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzanteil zur Krankenversicherung und den Beitragssatz zur Pflegeversicherung des betreffenden Kalenderjahres; da der Beitragszuschlag für Kinderlose zukünftig keine Berücksichtigung mehr findet, sinkt die Abgabenquote der Brutto-Standardrente leicht.

Abgabenquote Rente (neu)

AQR neuSVB = Abgabenquote Rentner (SV-Beiträge) nach Neudefinition

Die nach den beiden Verfahren ermittelte verfügbare Standardrente 2018 beträgt demnach:

verfügbare Standardrente

bzw.

verfügbare Standardrente (neu)

Die nach der neuen Methode ermittelte verfügbare Standardrente liegt also 251,34 Euro oder 1,7 Prozent höher als bisher.

Damit die nach der bisherigen und der zukünftigen Definition ausgewiesenen Rentenniveaus (SvS) übereieinstimmen, muss auch der Wert des verfügbaren Durchschnittsentgelts für 2018 neu und endgültig bestimmt werden (Umbasierung).

3.2 Verfügbares Durchschnittsentgelt

Ein valider Wert für das verfügbare Durchschnittsentgelt 2018 ist nicht vor Herbst 2019 verfügbar. Erst mit der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2020 wird das endgültige Durchschnittsentgelt der Anlage 1 zum SGB VI für 2018 bestimmt; und auch die Sozialbeitragsquote des Arbeitsentgelts (VGR) für 2018 ist frühestens gegen Mitte kommenden Jahres bekannt. Wenn aktuell für 2018 ein SvS in Höhe von 48,1 Prozent ausgewiesen wird (vgl. Tabelle), so beruht dieser Wert auf einer Schätzung hinsichtlich des verfügbaren Durchschnittsentgelts im laufenden Kalenderjahr. Ob dieser Wert im Nachhinein gehalten werden kann, ist offen.

Dennoch muss der aktuell ausgewiesene Niveauwert – mangels Alternative – für die Neubestimmung des Nenners (Umbasierung des verfügbaren Durchschnittsentgelts 2018) herhalten. Wenn das SvS auch bei einer verfügbaren Standardrente (neu) in Höhe von 15.419,56 Euro exakt 48,1 Prozent betragen soll (gleich hohes Sicherungsniveau nach der neuen und der bisherigen Definition), so muss sich das umbasierte verfügbare Durchschnittsentgelt (verfBEneu) auf 32.057 Euro belaufen:

verfügbares Durchschnittsentgelt (neu)

verfBEneu = verfügbares Durchschnittsentgelt nach Neudefinition

Der künftig bei der Bestimmung der verfügbaren Standardrente nicht mehr zu berücksichtigende Beitragszuschlag für Kinderlose zur sozialen Pflegeversicherung wirkt sich bei dieser Methode der Umbasierung insofern aus, als er bislang in die Berechnung des SvS (verfügbare Standardrente) einging; beim Ausweis des Niveaus mit einer Nachkommastelle dürfte dies jedoch vernachlässigbar sein.

Der Begründungstext zum Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung geht einen anderen Weg und trägt damit – obwohl das Ergebnis mit einem verfügbaren Durchschnittsentgelt in Höhe von 32.064 Euro für 2018 am Ende fast identisch ausfällt – zu weiterer Intransparenz bei der Niveauermittlung bei.

3.3 Bestimmung des verfügbaren Durchschnittsentgelts (neu) 2018 im Gesetzentwurf

Ausgangspunkt der Berechnung ist das (endgültige) Durchschnittsentgelt 2016 der Anlage 1 zum SGB VI in Höhe von 36.187 Euro. Auf dessen Basis wird das verfügbare Durchschnittsentgelt für 2017 bestimmt nach der Formel

verfügbares Durchschnittsentgelt 2017

verfBESGB = verfügbares Durchschnittsentgelt auf Basis der Anlage 1 zum SGB VI, BESGB = Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum SGB VI, ⊿LVGR = Lohnänderung nach VGR, AQAVGR[SB] = Abgabenquote Arbeitnehmer nach VGR (Arbeitnehmerbeiträge zu Sozialschutzsystemen)

Das Durchschnittsentgelt 2016 wird vervielfältigt mit dem Faktor der Lohnänderungsrate 2017 (West) und der Nettoquote des Arbeitsentgelts 2017 (West). Beide Werte entsprechen dem Erhebungsstand von Mitte 2018 [10] und deren Ursprungswerte sind nur dem Statistischen Bundesamt und dem BMAS bekannt.

verfügbares Durchschnittsentgelt 2017

Weiter heißt es im Begründungstext zum Entwurf: »Die bislang verwendete Standardrente wurde als Durchschnittswert aus zwei aufeinander folgenden aktuellen Rentenwerten berechnet. Die Standardrente berechnet mit nur einem aktuellen Rentenwert ist daher um eine halbe Rentenanpassung höher. Um ein vergleichbares Sicherungsniveau zu berechnen, muss daher das Durchschnittsentgelt um diese Wirkung angehoben werden. Da die Haltelinie bis zum Jahr 2025 gelten soll, sind dafür die Rentenanpassungen der Jahre 2018 bis 2025 maßgeblich. Der halbe Durchschnitt der Rentenanpassungen in diesem Vorausberechnungszeitraum beträgt 1,31 Prozent. Zuzüglich eines pauschalen Sicherheitszuschlags in Höhe von 5 Prozent wird der Anpassungsfaktor auf 1,0138 festgesetzt und somit ein Sicherungsniveau festgelegt, das im Verlauf des Vorausberechnungszeitraums der Haltelinie dem Sicherungsniveau nach bisheriger Definition entspricht.«

An dieser Stelle muss jeder Versuch, die Rechnung in der Sache nachvollziehen zu wollen, abgebrochen werden; es bleiben nur Interpretationen: Der letztjährige Rentenversicherungsbericht weist in der mittleren Modellvariante bis 2025 einen Anstieg des AR auf 37,80 Euro aus. [11] Dieser Wert wird offenbar v.a. aufgrund der anpassungsdämpfenden Wirkungen der im Entwurf vorgesehenen Leistungsverbesserungen auf lediglich 37,53 Euro steigen. Nur so ergibt sich für den Zeitraum 2018 bis 2025 als halbe durchschnittliche Rentenanpassung ein rechnerischer Wert von 1,31 Prozent. [12] Und damit die Rechnung am Ende auch ganz sicher aufgeht, wird dieser Satz noch um einen pauschalen Sicherheitszuschlag von fünf Prozent erhöht (1,31 * 1,05 = 1,38).

Das verfügbare Durchschnittsentgelt 2017 wird also um den Faktor 1,0138 von 30.669 Euro auf 31.092 Euro angehoben.

verfügbares Durchschnittsentgelt 2017 (neu)

verfBEneuSGB = verfügbares Durchschnittsentgelt auf Basis der Anlage 1 zum SGB VI nach Neudefinition, verfBESGB = verfügbares Durchschnittsentgelt auf Basis der Anlage 1 zum SGB VI

Das neue verfügbare Durchschnittsentgelt für 2017 wird anschließend nach 2018 fortgeschrieben. Grundlage sind (a) die rentenanpassungsrelevante Lohnentwicklung (⊿LR) für die Rentenanpassung 2018 in Höhe von 2,93 Prozent und (b) die Veränderung der Sozialversicherungsnettoquote des Arbeitsentgelts von 2017 auf 2018.

(a) Der Wert der rentenanpassungsrelevante Lohnentwicklung für die Rentenanpassung 2018 berechnet sich nach folgender Formel:

anpassungsrelevante Lohnentwicklung

⊿LR = rentenanpassungsrelevante Lohnentwicklung für die Rentenanpassung in t, BEVGR = durchschnittliches Bruttoentgelt je Arbeitnehmer nach VGR, bBE = beitragspflichtiges Bruttoentgelt je Arbeitnehmer nach Statistik der DRV Bund

anpassungsrelevante Lohnentwicklung 2018

(b) Die Sozialversicherungsnettoquote des Arbeitsentgelts wird ermittelt, indem der vom Arbeitnehmer zu tragende Anteil des Gesamtsozialversicherungsbeitragssatzes (GSV-BS) nach § 163 Absatz 10 Satz 3 SGB VI [13] vom Wert 100 Prozent abgezogen wird. 2017 betrug der GSV-BS 39,95 Prozent – auf die Arbeitnehmer entfielen 20,525 Prozent, was eine Nettoquote von 79,475 ergibt. Im laufenden Jahr beträgt der GSV-BS 39,75 Prozent – vom Arbeitnehmer sind 20,375 Prozent zu tragen; dies entspricht einer Nettoquote von 79,625. Als Faktor für die Veränderung der Sozialversicherungsnettoquote ergibt sich damit ein Wert von 79,625 / 79,475 = 1,0019. Die Sozialversicherungsnettoquote ist demnach um 0,19 Prozent gestiegen, die Belastung mit Sozialabgaben ist gesunken.

verfügbares Durchschnittsentgelt 2018 (neu)

verfBEneu = verfügbares Durchschnittsentgelt nach Neudefinition, ⊿LR = rentenanpassungsrelevante Lohnentwicklung für die Rentenanpassung in t, AQASVB = Abgabenquote Arbeitnehmer (SV-Beiträge)

Das für die Bestimmung des Sicherungsniveaus vor Steuern für das Jahr 2019 maßgebliche verfügbare Durchschnittsentgelt des Vorjahres (2018) beträgt somit 32.064 Euro.

verfügbares Durchschnittsentgelt 2018 (neu)

Dieser Betrag wird in § 154 Abs. 3a (neu) SGB VI ausgewiesen. Für die Bestimmung des SvS für das Jahr 2019 wird er mit der rentenanpassungsrelevanten Lohnentwicklung für die Rentenanpassung 2019 sowie mit der Veränderung der Sozialversicherungsnettoquote 2019 gegenüber 2018 fortgeschrieben. Damit ist sichergestellt, dass verfügbare Standardrente und verfügbares Durchschnittsentgelt mit derselben Lohnänderungsrate fortgeschrieben werden. Die methodische Änderung bei der Bestimmung der Sozialbeitragsquote der Arbeitnehmer – Rückgriff auf die nach jeweils geltendem Recht maßgebenden Arbeitnehmer-Beiträge zur Sozialversicherung statt auf Daten der VGR – verbessert die Nachvollziehbarkeit bei der Berechnung des Rentenniveaus.

3.4 Schlussbemerkungen

Um die Einhaltung der Niveau-Schutzklausel im Verfahren der jeweiligen Rentenanpassung rechentechnisch ohne Ermessensspielraum und eindeutig nachvollziehbar handhaben zu können, muss das (verfügbare) Durchschnittsentgelt im Nenner als fixe, unveränderbare Größe definiert werden; dies betrifft die erstmalige Festsetzung wie auch die Fortschreibung des Wertes. [14]

Die Ergebnisse aller unter Punkt 2. gelisteten Messverfahren sind am aktuellen Rand instabil – im Fall einer VGR-Revision evtl. auch weiter zurückreichend. Dieses Manko wird durch die Neudefinition des verfügbaren Durchschnittsentgelts im Gesetzentwurf beseitigt. Der nach Umbasierung des Nenners ausgewiesene Euro-Betrag hat allerdings mit realen Größen noch weniger gemeinsam als bislang schon. Es handelt sich um einen rein fiktiven Wert, ein Artefakt. Anlass für die Verfahrensumstellung ist die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbarte Haltelinie beim Rentenniveau, also das Versprechen, die Verteilungsrelation zwischen Renten und Entgelten – ausgehend und aufbauend auf der aktuellen (vorläufigen) Relation – für einen überschaubaren Zeitraum bis zum Jahr 2025 nicht unter den Wert von 48,0 Prozent sinken zu lassen; zur Überprüfung dieses Ziels sind die neuen Berechnungswerte und das Verfahren ihrer Fortschreibung zweifellos geeignet.

Durchschnittsentgelt

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Die Messung der »systemischen« Verteilungsrelation zwischen Renten und (beitragspflichtigen) Entgelten über die »absolute« Lohnersatzrate verliert infolge der neuen Berechnung des Rentenniveaus dagegen weiter an Transparenz und Aussagekraft. Die Ursachen liegen teils weit zurück und lassen sich nur schwer beheben.

Anlässlich der Rentenreform von 1957 wurden rückwirkend ab 1891 und bis 1955 die jeweiligen Durchschnittsverdienste aus den verfügbaren statistischen Quellen ermittelt. Bei den Berechnungen stellte der Gesetzgeber seinerzeit auf die Bruttoentgelte der Arbeiter und Angestellten ohne Lehrlinge und Anlernlinge sowie auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung ab. Seither (1955: 4.548 DM) wird dieser Wert mit der Änderungsrate der (westdeutschen) Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer [15] fortgeschrieben, wie sie sich nach den VGR ergeben. So gehen über den Fortschreibungsmodus Strukturveränderungen auf dem Arbeitsmarkt (bspw. Teilzeiteffekt oder Verschiebungen im Verhältnis von versicherungspflichtig und nicht versicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmern) ebenso in die Fortschreibung des Durchschnittsentgelts ein wie Veränderungen in der Zusammensetzung versicherungspflichtiger und nicht versicherungspflichtiger Entgeltbestandteile (bspw. Entgelte bis bzw. oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) oder wegen Entgeltumwandlung versicherungsfreie Entgeltanteile bis zur BBG). Der Ausgangswert, das Durchschnittsentgelt der Vollzeitbeschäftigten von Mitte der 1950er Jahre, wird seither jährlich fortgeschrieben mit der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer, deren Anstieg v.a. infolge des Teilzeiteffekts seit den 1980er und verstärkt seit den 1990er Jahren deutlich hinter der Entwicklung der Vollzeitentgelte zurückblieb. Das Durchschnittsentgelt des SGB VI entspricht also schon lange nicht mehr dem Durchschnittsentgelt von Vollzeitbeschäftigten – der Durchschnittsverdiener der Anlage 1 ist nicht in Vollzeit-, sondern in Teilzeit beschäftigt; und es stimmt auch nicht überein mit dem Durchschnitt der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer nach VGR. [16] Es handelt sich um eine fiktive Rechengröße, die ihren Hauptzweck – nämlich die Ermittlung von Rentenanwartschaften – allerdings nach wie vor erfüllt. [17]

Fortschreibung Durchschnittsentgelt

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Das verfügbare Durchschnittsentgelt wird durch Vervielfältigung des Durchschnittsentgelts der Anlage 1 zum SGB VI mit der Nettoquote des Arbeitsentgelts nach VGR ermittelt; diese ergibt sich nach Abzug der Abgabenquote des Arbeitsentgelts von der Zahl 1. Solange ein Nettorentenniveau ausgewiesen wurde, setzte sich die Abgabenquote zusammen aus Steuern und Sozialabgaben auf das Arbeitsentgelt – seither wird nur noch die Sozialabgabenquote nach VGR berücksichtigt. Wie oben gezeigt, liegt die Sozialbeitragsquote nach VGR merklich niedriger als die SV-Beitragsquote. Damit entfernt sich der Rechenwert im Nenner der Formel zur Berechnung des Rentenniveaus (SvS) ein weiteres Stück von realen Größen.

Die im Gesetzentwurf vorgenommene Umbasierung erhöht das verfügbare Durchschnittsentgelt künftig um 1,38 Prozent (für 2017 von 30.669 Euro auf 31.092 Euro) und schreibt diesen Betrag sodann jährlich unter Rückgriff auf die anpassungsrelevante Lohnentwicklung (beitragspflichtige Entgelte je Arbeitnehmer) sowie die Veränderung der Sozialversicherungsnettoquote des Arbeitsentgelts fort. [18] Das verfügbare Durchschnittsentgelt lässt sich in Zukunft nicht mehr aus dem Durchschnittsentgelt der Anlage 1 zum SGB VI ableiten; es bildet ab 2019 eine eigenständige »Rechengröße« – deren Veröffentlichung bislang allerdings nur im Rahmen der RWBestVen 2019 bis 2025 zur Überprüfung der Niveau-Schutzklausel vorgesehen ist.

Infolge des geänderten Fortschreibungsmodus (Veränderung der Sozialversicherungsnettoquote des Arbeitsentgelts) wird der Anteil von Bruttoentgeltumwandlung und »Riester-Prämien« (wie im Übrigen auch der der Prämien zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung) an der VGR-Sozialbeitragsquote auf dem (geschätzten) Stand von 2017 fest- und fortgeschrieben. Damit hat ein verändertes Vorsorgeverhalten/-volumen durch Entgeltumwandlung bzw. »Riestern« künftig über diesen Weg keine Auswirkung mehr auf das verfügbare Durchschnittsentgelt und damit den Ausweis des Rentenniveaus (SvS). Da die Fortschreibung daneben jedoch auch auf die für die jeweilige Rentenanpassung maßgebliche Lohnänderungsrate zurückgreift (Veränderung der beitragspflichtigen Entgelte – vgl. Formel 3.5), finden Änderungen bei Volumen bzw. Anteil der Brutto-Entgeltumwandlung künftig auf diese Weise Eingang in die Bestimmung des verfügbaren Durchschnittsentgelts. [19]

Um dem »Absolutwert« des Rentenniveaus – also der ausgewiesenen Lohnersatzrate – wieder mehr Aussagekraft zu verleihen, wäre dessen Ausweis als Sicherungsniveau nach Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. Kapitel 2.4), während der Phase der Niveau-Schutzklausel parallel zum SvS, hilfreich – verbunden mit einer Fortschreibung des Durchschnittsentgelts der Anlage 1 zum SGB VI mit der Veränderung der beitragspflichtigen Entgelte. Bei Verwendung des SnSV ginge allerdings die dem SvS »implantierte« niveaustabilisierende Wirkung der (in Zukunft vermutlich weiter zunehmenden) Entgeltumwandlung beim Ausweis des Rentenniveaus verloren.

4. Anhang

AQASVB = Abgabenquote Arbeitnehmer (SV-Beiträge)
AQAVGR[LSt+SB] = Abgabenquote Arbeitnehmer nach VGR (Lohnsteuer plus Arbeitnehmerbeiträge zu Sozialschutzsystemen)
AQAVGR[SB] = Abgabenquote Arbeitnehmer nach VGR (Arbeitnehmerbeiträge zu Sozialschutzsystemen)
AQRSVB = Abgabenquote Rentner (SV-Beiträge)
AQRneuSVB= Abgabenquote Rentner (SV-Beiträge) nach Neudefinition
AR = aktueller Rentenwert
bBE = beitragspflichtiges Bruttoentgelt je Arbeitnehmer nach Statistik der DRV Bund
BESGB = Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 zum SGB VI
BEVGR = durchschnittliches Bruttoentgelt je Arbeitnehmer nach VGR
BRN = Bruttorentenniveau
BStR= Brutto-Standardrente
BStRneu = Brutto-Standardrente nach Neudefinition
NRN = Nettorentenniveau
SnSV = Sicherungsniveau nach Sozialversicherungsbeiträgen
SvS = Sicherungsniveau vor Steuern
verfBEneu= verfügbares Durchschnittsentgelt nach Neudefinition
verfBESGB = verfügbares Durchschnittsentgelt auf Basis der Anlage 1 zum SGB VI
verfBEneuSGB = verfügbares Durchschnittsentgelt auf Basis der Anlage 1 zum SGB VI nach Neudefinition
⊿LR = rentenanpassungsrelevante Lohnentwicklung
⊿LVGR = Lohnänderung nach VGR

[1] So u.a.: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht August 2016, S. 70 oder auch SVR, Zeit für Reformen, JG 2016/17, Ziff. 632.
[2] Hierbei ist die Annahme des Durchschnittsverdienstes nicht zwingend – sie dient lediglich der Vereinfachung des Messverfahrens. Ebenso ließe sich das Leistungsniveau und dessen Entwicklung beispielsweise anhand des 0,75-Fachen des Durchschnittsentgelts (Entgeltposition von 75 Prozent) ermitteln. Im Zähler wäre die Rente in diesem Fall nicht aus 45 pEP, sondern aus 45 x 0,75 = 33,75 pEP zu ermitteln und statt des Durchschnittsentgelts nach Anlage 1 zum SGB VI wären 75 Prozent dieses Wertes heranzuziehen. Unter der Voraussetzung einer Standarderwerbsbiografie ist das ermittelte Rentenniveau also unabhängig von der referenzierten Entgeltposition immer identisch.
[3] Zudem ist darauf zu verweisen, dass es sich bei den im Folgenden abgehandelten Varianten des Rentenniveaus stets um reine Westgrößen handelt.
[4] Wie anfällig ein solches Verfahren gegenüber Manipulationsvermutungen ist, veranschaulichte die öffentliche Diskussion im Zusammenhang mit der Bruttostellung des Kindergeldes: Mit Beginn des Jahres 1999 wurde die Kindergeldauszahlungs-Verordnung vom 10. November 1995 (BGBl I S. 1510) aufgehoben. Bis dahin wurde das Kindergeld vom Arbeitgeber ausgezahlt und mit der Lohnsteuer des Arbeitnehmers verrechnet (Nettostellung des Kindergeldes). Infolge dieses Verfahrens fiel die Lohnsteuerbelastung des Arbeitsentgelts nach VGR um die Höhe des ausgezahlten Kindergeldvolumens geringer aus; dadurch stieg die Nettoquote des Arbeitsentgelts und das Nettorentenniveau fiel bei gegebener Standardrente entsprechend niedriger aus. Mit der Bruttostellung des Kindergeldes stellte sich der umgekehrte Effekt ein. Die isolierte Wirkung der Bruttostellung des Kindergeldes, das seit 1999 nicht mehr zur Nettolohn- und -gehaltssumme zählt, führte zu einem um ca. 2,5 Prozentpunkte höheren Ausweis des Nettorentenniveaus. Im Übrigen wurde durch die Bruttostellung verhindert, dass Erhöhungen des Kindergeldes im Rahmen der Nettolohnanpassung automatisch zu entsprechend höheren Renten führten. – Vgl. hierzu die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Gerd Andres (BMAS) auf die dringliche Frage der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram (CDU/CSU), Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages Nr. 14/49 v. 30.06.1999, S. 4225.
[5] Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG) v. 05.07.2004, BGBl I, S. 1427.
[6] Bis 2025 werden die Beiträge zur Rentenversicherung schrittweise von der Besteuerung freigestellt und im Gegenzug unterliegen die Renten in Abhängigkeit vom Zugangsjahr mit einem steigenden Anteil der Besteuerung (ab Zugangsjahr 2040 zu 100 Prozent).
[7] Hinzuweisen ist auf eine weitere methodische »Unwucht«: Das Durchschnittsentgelt der Anlage 1 zum SGB VI wird jährlich mit der Veränderungsrate der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer nach VGR fortgeschrieben, während sich die Rentenanpassung seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts nach der Entwicklung der in der Regel schwächer steigenden beitragspflichtigen Entgelte richtet. Daraus resultiert eine Scherenentwicklung zwischen beitragspflichtiger Entgeltposition, die für die Höhe der Standardrente maßgeblich ist, und dem Durchschnittsentgelt der Anlage 1.
[8] Vgl. K.-H. Dedring u.a., Rückkehr zur lebensstandardsichernden und armutsfesten Rente. Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, WISO-Diskurs, Bonn, August 2010, S. 24 ff. 
[9] Hierbei bedarf es der Verständigung darüber, ob – und zu welchem Anteil – der Beitragszuschlagssatz für Kinderlose zur sozialen Pflegeversicherung (0,25 Prozent) in die Abgabenquote einbezogen wird oder nicht; einiges spricht für dessen Nicht-Berücksichtigung.
[10] So ergab sich als westdeutsche Lohnänderungsrate für 2017 lt. Entwurf der RWBestV 2018 (Stand März 2018) noch ein Anstieg von 2,73 Prozent; zu den Werten für 2016 und 2017 vgl. BRDrs 140/18 v. 25.04.2018, S. 10f.
[11] Vgl. BTDrs 19/140 v. 30.11.2017, S. 36.
[12] AR 2017 = 31,03 € | 37,53 € / 31,03 € x 100 – 100 = 20,95; davon ½ = 10,48 verteilt auf acht Jahre ergibt einen halben durchschnittlichen Anpassungssatz von 1,31 Prozent.
[13] Der Beitragszuschlag für Kinderlose zur sozialen Pflegeversicherung zählt nicht zum Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz.
[14] Aus welchem Grund in diesem Zusammenhang auch eine Neudefinition der Standardrente erforderlich sein soll, ist demgegenüber (rechnerisch) nicht ersichtlich – aber (rechnerisch) auch nicht weiter von Einfluss.
[15] Ursprüngliche Diktion: Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer.
[16] Die Werte nach Anlage 1 zum SGB VI (2016: 36.187 €) liegen inzwischen deutlich dichter bei den durchschnittlichen Bruttolöhnen und -gehälter je Arbeitnehmer nach den VGR, wie sie der Rentenanpassung zugrunde liegen (2016: 34.205 €), als bei den durchschnittlichen Bruttoverdiensten vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich (West einschl. Berlin ohne Sonderzahlungen 2016: 45.828 €).
[17] Vgl. hierzu u.a.: Durchschnittsentgelt und Arbeitszeit. Teilzeiteffekt erhöht Rentenanwartschaft 
[18] Ohne dies allerdings zum Anlass zu nehmen, auch die Fortschreibung des Durchschnittsentgelts der Anlage 1 (endlich) auf die Entwicklung der beitragspflichtigen Entgelte umzustellen. Erforderlich gewesen wäre dies bereits im Rahmen des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes, mit dem der Lohnfaktor der Anpassungsformel auf die Entwicklung der beitragspflichtigen Entgelte umgestellt wurde. Rentenanwartschaften können nur aus versichertem Entgelt erworben werden. Die Bewertung der Anwartschaften richtet sich seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts nach der Entwicklung der beitragspflichtigen Entgelte, während sich die Höhe des Anwartschaftserwerbs nach wie vor nach dem mit der Entwicklung sämtlicher Entgeltbestandteile fortgeschriebenen Durchschnittsentgelt der Anlage 1 zum SGB VI bemisst.
[19] Bedeutungsverlust oder -zunahme der »Riester-Prämien« haben demgegenüber in Zukunft (ebenso wie Anteilsverschiebungen bei den Prämien zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung) diesbezüglich keine Auswirkung mehr. Interpretieren ließe sich dies als geräuschloser Abschied von der systemischen Instrumentalisierung der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge zum Zweck eines höher ausweisbaren Rentenniveaus (SvS), letztlich also ein Abschied von der Hoffnung auf einen weiter steigenden Verbreitungsgrad der »Riester-Rente«.

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