Flexible Übergänge in den Ruhestand

Flexible Übergänge in den Ruhestand

Teilrenten sind für den Rentenzugang bislang bedeutungslos

Johannes Steffen | September 2014

In der gegenwärtigen Debatte um die Flexibilisierung von Altersübergängen spielt die Teilrente eine herausgehobene Rolle. Insbesondere SPD und DGB drängen hier auf Erleichterungen. Ältere sollen so verbesserte Möglichkeiten erhalten, Rente und Weiterarbeit in Teilzeit miteinander zu kombinieren. Erlebt da womöglich ein Instrument, das es bereits seit 1992 gibt, nach mehr als zwanzig Jahren Siechtum eine Renaissance? Und woran liegt es, dass die Teilrente bislang auf so wenig Gegenliebe bei den Versicherten stößt?

Schon seit dem Rentenreformgesetz 1992 (RRG 92) besteht bei Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Bezug einer (vorgezogenen) Altersrente auch die Möglichkeit, statt der Vollrente eine Teilrente in Anspruch zu nehmen. Deren Umfang ist vom Gesetzgeber allerdings vorgegeben und kann nur in Höhe von 1/3, 1/2 oder 2/3 der Vollrente bezogen werden. Schon bei ihrer Einführung galt die Teilrente als Flexibilisierungsinstrument, mit dessen Hilfe Beschäftigte zusammen mit einer entsprechenden Einschränkung ihrer Erwerbstätigkeit »in den Ruhestand hineingleiten können« [1]. Das RRG 92 ermöglichte damit erstmals im Rentenrecht überhaupt einen gleitenden Übergang von der Erwerbs- in die Nacherwerbsphase.

In Abhängigkeit vom Umfang der beanspruchten Teilrente sind die Hinzuverdienstgrenzen gestaffelt (vgl. Tabelle). Ihre monatliche Höhe ergibt sich als Produkt aus dem Multiplikator gemäß § 34 SGB VI, der monatlichen Bezugsgröße und der Summe der Entgeltpunkte (EP) aus den letzten drei Kalenderjahren vor Rentenbeginn – mindestens aber aus 1,5 EP. Wird das Arbeitsentgelt ausschließlich in den neuen Ländern erzielt, so ist bei der Ermittlung der Hinzuverdienstgrenzen die monatliche Bezugsgröße mit dem AR(O) zu vervielfältigen und durch den AR zu teilen (§ 228a Abs. 2 SGB VI). Bei Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze besteht nur noch ein Anspruch auf die nächstniedrigere Teilrente, sofern deren Hinzuverdienstgrenze eingehalten wird. Ein zweimaliges Überschreiten der Grenze im Laufe eines Kalenderjahres – etwa bei Fälligkeit von Einmalzahlungen – jeweils bis zum Doppelten der maßgebenden Hinzuverdienstgrenze ist zulässig.

Monatliche Hinzuverdienstgrenzen bei Teilrentenbezug 2014 in EUR
Teilrente in Höhe von
... der Vollrente
Multi-
pli-
kator
Mindest-
hinzu-
verdienst-
grenze (1,5 EP)
Individuelle Hinzu-
verdienst-
grenze (1)
bei 3,0 EP bei 4,5 EP
alte Bundesländer
1/3 0,25 1.036,88 2.073,75 3.110,63
1/2 0,19 788,03 1.576,05 2.364,08
2/3 0,13 539,18 1.078,35 1.617,53
neue Bundesländer (Juli bis Dezember)
1/3 0,25 956,42 1.912,84 2.869,26
1/2 0,19 726,88 1.453,76 2.180,63
2/3 0,13 497,34 994,68 1.492,01
(1) Die individuelle Hinzuverdienstgrenze richtet sich nach der Summe der EP der letzten drei Kalenderjahre vor Rentenbeginn. Bei den angegebenen individuellen Hinzuverdienstgrenzen handelt es sich nur um Beispiele.

Kaum ein Element zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand stieß bislang auf so wenig Resonanz in der Arbeitnehmerschaft wie die Teilrente. Von dem seinerzeit als Nachfolgeregelung für das Altersteilzeitgesetz von 1988 gedachten Instrument machten in keinem Zugangsjahr mehr als gut 3.000 Personen Gebrauch – beim Rentenzugang 2013 waren es gerade noch 1.624 Teilrenten oder 0,25 Prozent aller neu zugegangenen Altersrenten.

Teilrenten im Rentenzugang 2001 bis 2013

Ursächlich für die zu vernachlässigende Bedeutung der Teilrente am Rentenzugangsgeschehen sind eine ganze Reihe unterschiedlicher Faktoren. Zunächst einmal setzt das Konzept der abschlagsgeminderten Teilrente eine ausreichende Zahl von qualifikationsadäquaten Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere in sozialversicherter Teilzeit voraus; denn schließlich ist der Hinzuverdienst nicht nur zur Deckung des Lebensunterhalts während des Teilrentenbezugs gedacht, sondern er dient auch dem Erwerb zusätzlicher Rentenanwartschaften für den späteren Vollrentenbezug. Zudem steht die Teilrente seit ihren Anfängen unter einem enormen Konkurrenzdruck durch andere – für Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber attraktivere – Möglichkeiten des Altersübergangs. Die Erwartungen der Arbeitnehmerschaft waren bzw. sind geprägt von Erfahrungen mit dem Vorruhestandsgesetz von 1984, dem Altersteilzeitgesetz von 1988, verschiedenen tariflichen und betrieblichen Vorruhestandsregelungen oder Sozialplänen und nicht zuletzt durch das derzeit geltende Altersteilzeitgesetz von 1996. Auf dessen Basis bieten viele Tarifverträge meist deutlich attraktivere Lösungen – wenn auch in aller Regel ohne Rechtsanspruch.

Die Praxis der Altersteilzeit hat zudem eines ganz deutlich gemacht: Sowohl die älteren Beschäftigten als auch die Betriebe favorisieren – aus unterschiedlichen Gründen – die verblockte Altersteilzeit und weniger den gleitenden Übergang in Form von durchgehender Teilzeitarbeit. Die derzeit diskutierte Erhöhung und flexiblere Gestaltung von Möglichkeiten des Hinzuverdienstes oder auch eine auf beispielsweise 60 Jahre vorverlegte Möglichkeit des Teilrentenbezugs mit entsprechend höheren Abschlägen werden die Zurückhaltung bei deren Inanspruchnahme kaum auflösen. Derzeit gibt es also wenig Anzeichen, die für eine Renaissance der Teilrente sprechen.

[1] Vgl. die Begründung zum Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992), BTDrs 11/4124, S. 144.

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