Zweistufenplan

Zweistufenplan der Bundesregierung für kunden- und wettbewerbsorientierte Dienstleistungen am Arbeitsmarkt

Pressemitteilung des BMAS v. 22.02.2002

Das Vertrauen in die Bundesanstalt für Arbeit ist durch die aufgedeckten Fehler bei ihren Arbeitsvermittlungen schwer beschädigt. Die von ihrem Vorstand selbst angekündigten Verbesserungsvorschläge gehen in die richtige Richtung und werden von der Bundesregierung unterstützt. Sie werden aber vor dem Hintergrund der sich rasch entwickelnden und differenzierten Arbeitsmärkte nicht ausreichen.

Chancen nutzen

Die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung orientiert sich am Grundsatz Fördern und Fordern. Dies erfordert ein intensives Eingehen auf die individuellen Potenziale und Probleme der Arbeitssuchenden und die konkreten Bedürfnisse der Unternehmen. Bereits das Job-AQTIV-Gesetz zielte deshalb auf eine Neuausrichtung der Arbeitsvermittlung. Die gegenwärtige Krise ist nun eine Chance zur grundlegenden Veränderung von starren Behördenstrukturen und institutionell bedingten Fehlsteuerungen. Die Bundesregierung nimmt deshalb noch in dieser Legislaturperiode den strukturellen Umbau der Bundesanstalt für Arbeit in Angriff.

Die Bundesregierung will diesen Umbau gemeinsam mit den vielen engagierten Mitarbeitern in den Arbeitsämtern angehen; er ist gerade auch in deren Interesse notwendig, um ihre Fachkompetenz und ihre Initiative optimal nutzen zu können. Entbürokratisierung und Konzentration auf die Kernaufgaben und damit auch erweiterte Handlungsspielräume für flexibles Arbeiten schaffen einen Rahmen, in dem sie ihr Engagement und ihr Leistungsvermögen besser entfalten können.

Leitbild der Reform

Für die schnelle und effiziente Eingliederung von Arbeitsuchenden in Arbeit braucht Deutschland eine flexible Dienstleistungseinrichtung mit einem verantwortlichen Management und strikter Erfolgskontrolle.

Die Reform muss sich an folgenden Grundsätzen orientieren:

  • Dienstleistung im Wettbewerb,
  • Konzentration auf Kernaufgaben mit der Arbeitsvermittlung im Zentrum
  • modernes kundenorientiertes Unternehmensmanagement mit hoher Leistungsfähigkeit.

Der erforderliche Umbau vollzieht sich in zwei Stufen:

1. Stufe: Wirksame Sofortmaßnahmen

Die Bundesregierung wird auf dem Wege von Sofortmaßnahmen moderne Leitungsstrukturen einführen, den Wettbewerb in der Vermittlung stärken, die Kooperation mit Dritten ausbauen und für mehr Qualität und Kundenorientierung sorgen.

Modernisierung der Leitungsstrukturen

  • Die Bundesanstalt für Arbeit wird aus einer Behördenorganisation in einen Dienstleister mit privatwirtschaftlichen Führungsstrukturen überführt.
  • Die Geschäfte werden künftig von einem aus drei Personen bestehenden Vorstand geführt. Seine Mitglieder werden auf einer vertraglichen Grundlage beschäftigt; sie sind keine Beamte.
  • Die Verantwortung der Sozialpartner für den Arbeitsmarkt bleibt in einem Selbstverwaltungsgremium bestehen. Es wird ein Verwaltungsrat (Aufsichtsrat) mit neuem Aufgabenzuschnitt installiert, der die gesetzliche Pflicht hat, die Geschäftsführung zu überwachen. Die Selbstverwaltungsgremien für den regionalen Arbeitsmarkt bleiben bis zu einer Neuorganisation bestehen.

Mehr Wettbewerb

  • Freier Marktzugang für Vermittler (Aufhebung der Erlaubnispflicht für private Vermittler, keine Beschränkung des Vergütungsanspruchs bei privaten Vermittlungsleistungen auf Ansprüche gegen Arbeitgeber; Untersagung der Vermittlungstätigkeit bei Mißbrauch).
  • Vermittlungsgutscheine für arbeitslose Leistungsbezieher (ab einer bestimmten Dauer der Arbeitslosigkeit - drei bis sechs Monate - Rechtsanspruch auf freie Wahl eines privaten Vermittlers). Mehr Wettbewerb muss sich auch für Schwervermittelbare auszahlen. Die Höhe des Erfolgshonorars wird nach den individuellen Vermittlungshemmnissen gestaffelt, um "Rosinenpickerei" zu verhindern.
  • Das Monopol der Bundesanstalt für Arbeit bei Vermittlung und Anwerbung im Ausland wird aufgehoben.

Mehr Kooperation mit Dritten

  • Konsequente Ausschöpfung der Möglichkeiten des Job-AQTIV-Gesetzes (Rechtsanspruch auf Einschaltung eines privaten Vermittlers nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit).
  • Prüfung von budgetrelevanten Anreizen für Arbeitsämter zur verstärkten Einschaltung von Dritten.

Mehr Qualität und Kundenorientierung

  • Konzentration auf die Vermittlungsoffensive durch Personalumschichtung innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit
  • Verstärkte Akquisition von Stellen in den Betrieben und ihre zügige Aufnahme in den Arbeitsämtern (stellenorientierte Arbeitsvermittlung, "Call-Center").
  • Unabhängiger Arbeitsamts-TÜV (Kunden- und Mitarbeiterbefragungen, verdeckte Prüfungen in Arbeitsämtern) und Einführung eines Beschwerdemanagements.
  • "Benchmarking" zwischen den Arbeitsämtern.
  • Qualitätssicherung bei privaten Vermittlern (Selbstverpflichtung oder Verbandszertifizierung der Branche).
  • Anreizsysteme für erfolgreiche Vermittler (z.B. Leistungsprämien).
  • Die Vermittlungsstatistik der Bundesanstalt für Arbeit wird neu konzipiert, um aussagekräftige und valide Daten zu liefern.

Die für einen Teil der beschriebenen Sofortmaßnahmen erforderlichen Gesetzesänderungen sollen zum 1. Juli 2002 in Kraft treten.

2. Stufe: Zügige Strukturreformen

Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt"

Mit den Sofortmaßnahmen geht eine grundsätzliche Weichenstellung für eine umfassende Reform einher. Ziel ist es, die Bundesanstalt für Arbeit zu einer modernen Dienstleistungseinrichtung umzubauen.

Zur Vorbereitung der notwendigen gesetzgeberischen Schritte wird umgehend eine Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" berufen. Diese wird bis zum Ende dieser Legislaturperiode

  • ein Konzept für den künftigen Aufgabenzuschnitt,
  • ein Konzept für die neue Organisationsstruktur und
  • ein Durchführungskonzept vorlegen.

Die Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" wird aus Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Politik, Wissenschaft, Unternehmensberatung, Ländern und Kommunen bestehen. Den Vorsitz übernimmt Dr. Peter Hartz. Auch kreative Köpfe aus den Arbeitsämtern werden in die Kommission berufen, damit der Umbauprozess der Bundesanstalt für Arbeit erfolgreich bewältigt werden kann.

Zur Unterstützung ihrer Arbeit erhält die Kommission eine Geschäftsstelle im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Die Kommission kann Sachverständige anhören und Gutachten vergeben.

Die Arbeit der Kommission orientiert sich am Leitbild der Bundesregierung für eine Arbeitsförderung mit schlankem Aufgabenzuschnitt und moderner Unternehmensorganisation.

Dessen vier Kernelemente sind:

1. Aufgabenkonzentration auf Kernbereiche

Der Aufgabenzuschnitt des modernen Arbeitsmarktdienstleisters soll sich auf die Kernbereiche Arbeits- und Ausbildungsstellenvermittlung, Auszahlung von Lohnersatzleistungen und aktive Arbeitsmarktpolitik konzentrieren. Es muss geprüft werden, ob die Bundesanstalt für Arbeit von der Kindergeldauszahlung und von der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung entlastet werden kann.

2. Im Zentrum: Vermittlung und Beratung

Die Gewichtung der Aufgaben untereinander muss zugunsten der operativen Dienstleistungen Vermittlung und Beratung verschoben werden.

  • Es müssen moderne Managementkonzepte wie Zielsteuerung und Programmbudgets eingeführt werden.
  • Zugleich sind das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungspraxis durch einen wirksamen Einsatz moderner Informationstechnologien zu straffen und von Doppelarbeiten zu befreien.
  • In den operativen Bereichen müssen die Ermessensspielräume vor Ort gesteigert werden, um der Kreativität der Mitarbeiter Raum zu geben. Dazu gehört auch die Entwicklung einer Kultur der Verantwortungsfreude und Verantwortungsübernahme.

3. Organisatorischer Umbau

Gesteigerte Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreude vor Ort setzen einen strukturellen Umbau der bisherigen Behörde zu einem modernen Dienstleister voraus. Erforderlich sind neben einem professionellen Exekutivvorstand eine stärkere Regionalisierung und Dezentralisierung von Verantwortung und Entscheidung, unternehmerische Strukturen bis hin zu den lokalen Einheiten und ein Überdenken der Aufgaben von Zentrale und Mittelinstanzen. Aufgaben, Struktur und Zusammensetzung der Selbstverwaltung sind wirkungsvoller und unter Vermeidung grundlegender Interessenkonflikte neu zu gestalten.

4. Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe

Die Bundesregierung beabsichtigt in der nächsten Legislaturperiode, die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe für die erwerbsfähigen Sozialhilfebezieher zusammenzuführen. Die Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" soll dieser Reform nicht vorgreifen. Sie hat jedoch den Auftrag, schon jetzt Organisationsmodelle vorzulegen, die eine wirksame Zusammenführung in den Strukturen moderner Arbeitsmarktdienstleister ermöglichen. Dabei ist anzustreben, dass für alle arbeitsuchenden Menschen die erforderlichen Beratungs-, Vermittlungs- und Arbeitsförderungsleistungen sowie die Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts im Rahmen eines "one-stop-center" gebündelt erbracht werden.

Durchführungskonzept entwickeln

Die Modernisierung der Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erfordert ein schlüssiges Durchführungskonzept. Dieses muss zeigen, wie die Überführung der bisherigen Arbeitsverwaltung in eine neue Organisationsstruktur so friktionsfrei wie möglich unter Beteiligung der Beschäftigten erfolgen kann. Die Übernahme unternehmerischer Strukturen, wie in den Sofortmaßnahmen für die Führungsebene der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt, muss weiter vorangetrieben werden.

Die Kommission wird ihre Konzepte bis Mitte August dieses Jahres vorlegen. Die Bundesregierung beabsichtigt, den Prozess der Umgestaltung bis Ende 2004 abzuschließen.