Der Preis der Lebensstandardsicherung

Rentenniveau und Beitragssatz

Der Preis der »Lebensstandardsicherung«

März 2017 | Im vergangenen November legte das Bundesarbeitsministerium (BMAS) ein Gesamtkonzept zur Alterssicherung vor. [1] Kern des Vorschlags für die künftige Rentenpolitik sind »Haltelinien« beim Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern – SvS) von 46 Prozent sowie beim Beitragssatz (BS) von 25 Prozent bis zum Jahr 2045. Entlastungen auf der Beitragsseite sollen ab 2030 durch einen steuerfinanzierten Demografie-Zuschuss in Höhe von 1,5 Prozent der Rentenausgaben – ab 2040 2,5 Prozent – erreicht werden. Eine Stabilisierung des Rentenniveaus bei 46 Prozent ist längst nicht ausreichend. Aber selbst diese kleine Korrektur am geltenden Recht geht vielen schon zu weit.

So heißt es in der Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vom Dezember 2016: »Beitrags- und Steuerzahler würden in 2045 gegenüber heute um 90 Mrd. € zusätzlich belastet werden. (...) Richtig wäre hingegen, die bislang nur bis 2030 gesetzlich festgeschriebene Beitragssatzobergrenze von 22 % dauerhaft fortgelten zu lassen« [2] – mit der Folge einer Senkung des Rentenniveaus bis 2045 auf unter 40 Prozent.

Finanzierungs-Tableau

  BMAS-
Konzept
geltendes
Recht
BDA-
Position
SvS
53%
Erforderlicher Beitragssatz in Prozentpunkten
2016 18,7 18,7 18,7 18,7
2045 24,9 23,6 22,0 29,4
Differenz 2045 zu 2016 6,2 4,9 3,3 10,7
Zusatzkosten in Mrd. Euro gegenüber 2016 (1)
Beiträge 70,2 55,5 37,4 121,1
Bundeszuschuss 12,3 9,7 6,5 21,2
Demografie-Zuschuss 7,8 0 0 0
zusammen 90,3 65,2 43,9 142,3
Zusatzkosten in Mrd. Euro gegenüber geltendem Recht (1), (2)
Beiträge 14,7 - - 18,1 65,7
Bundeszuschuss 2,6 - - 3,2 11,5
Demografie-Zuschuss 7,8 - 0 0
zusammen 25,1 - - 21,3 77,1

Quelle: BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung (Nov. 2016), DRV Bund, Rentenversicherung in Zahlen 2016 sowie eigene Berechnungen.
(1) Ein Beitragssatzanstieg von 1 Prozentpunkt erbringt derzeit zusätzliche Einnahmen in Höhe von insgesamt 13,3 Mrd. EUR – davon 11,32 Mrd. EUR Beitragsmittel und 1,98 Mrd. EUR Bundesmittel.
(2) Angaben nach heutigen Werten.

Die von der BDA angeführten Mehrkosten von rund 90 Milliarden Euro im Jahr 2045 setzen sich zusammen aus zusätzlichen Beitragsmitteln in Höhe von rund 70 Milliarden Euro sowie zusätzlichen Steuermitteln von rund 20 Milliarden Euro – davon entfallen gut 12 Milliarden Euro auf den allgemeinen Bundeszuschuss und knapp acht Milliarden Euro auf den vom BMAS vorgesehenen Demografie-Zuschuss. Referenzzeitraum der BDA-Kostenrechnung bildet allerdings das Jahr 2016 – und nicht das Jahr 2045 nach geltdendem Recht. Dadurch fällt der Ausweis der Zusatzkosten besonders hoch aus.

Aber auch nach geltendem Recht wären im Jahr 2045 rund 65 Milliarden Euro mehr an Beiträgen und Steuern erforderlich als heute. Der tatsächliche Mehraufwand des BMAS-Konzepts beträgt also nicht 90 Millarden Euro, sondern »nur« rund 25 Milliarden Euro.

Nach geltendem Recht müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr 2045 (bei einem Rentenniveau von nur noch 41,7 Prozent) 15,8 Prozent ihres Bruttoentgelts für die Altersvorsorge aufbringen – davon 11,8 Prozent für den hälftigen Rentenbeitrag und vier Prozent für die »Riester-Prämie« (pAV).

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Die (Wieder-) Anhebung des Rentenniveaus auf den Stand vor dem rot-grünen Paradigmenwechsel (rund 53 Prozent im Jahr 2000) erfordert nach den Berechnungen des BMAS im Jahr 2045 einen Beitragssatz von 29,4 Prozent; gegenüber dem geltenden Recht mit einem Beitragssatz von dann 23,6 Prozent entspricht dies zusätzlichen Kosten von rund 77 Milliarden Euro. Da in einem solchen Szenario keine private Altersvorsorge mehr erforderlich wäre – jedenfalls nicht zur Schließung der durch den Paradigmenwechsel politisch aufgerissenen Sicherungslücke bei der gesetzlichen Rente – entfiele insoweit die zusätzliche Belastung durch die »Riester-Prämie«. Der Arbeitnehmeranteil zur Altersvorsorge betrüge unter dieser Annahme 14,7 Prozent – mehr als einen Prozentpunkt weniger als nach geltendem Recht.

Der Anstieg des Beitragssatzes (nicht der Anstieg der Zusatzkosten!) könnte mittelfristig durch eine Ausweitung des Versichertenkreises (»Erwerbstätigenversicherung«) und dauerhaft durch die aufgabenadäquate Finanzierung nicht beitragsgedeckter Leistungen über Steuern (Beispiel »Mütterrente«) sowie eine Beteiligung des Bundes an den Folgen des demografischen Wandels für die gesetzliche Rente (Beispiel »Demografie-Zuschuss«) gebremst werden [3].

Ob die zusätzliche Beitragsbelastung der Versicherten von diesen am Ende auch als tragbar empfunden wird, hängt entscheidend davon ab, wie weit es auf Ebene der Primärverteilung gelingt, den Produktivitätszuwachs der kommenden Jahrzehnte in entsprechend steigenden Löhnen abzubilden.

[1] BMAS, Gesamtkonzept zur Alterssicherung, Berlin, November 2016
[2] BDA, Finanzierung der Rentenversicherung fair zwischen den Generationen verteilen, Dezember 2016.
[3] Vgl. auch: DGB BV-Beschluss, Zukunftsgerichtete Rentenpolitik, v. 28.02.2017.

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