Beschäftigungsstatistik und Rente
Revidierte Beschäftigungsstatistik und Rente
»Jo-Jo-Effekt« beim Anpassungssatz
Johannes Steffen | Oktober 2014
Im August 2014 hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Revision der Beschäftigungsstatistik vorgenommen. Im Ergebnis steigt hierdurch die Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Über Umwege hat dies Auswirkungen auf die künftige Höhe der Rentenanpassungen. Im kommenden Jahr steigen die Renten schwächer als im Szenario ohne Revision der Statistik, im darauf folgenden Jahr fällt der Zuwachs aus dem gleichen Grund stärker aus. Am Ende kompensieren sich die beiden Effekte weitgehend. Wie aber sehen die rechnerischen Zusammenhänge genau aus?
Die Anpassung der Renten ist gekoppelt an die Entwicklung der Löhne und Gehälter. Detailiert geregelt sind die Vorgaben in § 68 SGB VI. Neben der Lohnentwicklung spielen weitere Faktoren wie etwa die Entwicklung des Beitragssatzes oder auch der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor eine wichtige Rolle. Diese Einflussgrößen bleiben im Folgenden allerdings ausgeblendet, da es hier ausschließlich um den unmittelbaren Einfluss der geänderten Statistik auf das Anpassungsverfahren gehen soll.
Das in die Anpassung einfließende Lohnplus ergibt sich aus der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im Vorjahr (Durchschnittsentgelt) nach den Volkswirtschaftlichen Gesdamtrechnungen (VGR). Und dieses Plus fällt 2014 infolge der Einbeziehung weiterer Personen mit in der Regel niedrigem »Entgelt« geringer aus. Durch die Revision sind zum Stichtag 30. Juni 2013 u.a. zusätzlich folgende Gruppen hinzugekommen:
- 298.663 behinderte Menschen in anerkannten Werkstätten oder gleichartigen Einrichtungen mit einem monatlichen Verdienst von im Schnitt weniger als 200 Euro,
- 30.774 Personen in Einrichtungen der Jugendhilfe, Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen sowie
- 77.476 Personen, die ein freiwilliges soziales / ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst leisten; alles Tätigkeiten, bei denen es sich durchweg um keine klassische Beschäftigung gegen Entgelt handelt.
Durch diese und weitere Maßnahmen steigt die ausgewiesene Zahl der Beschäftigten zum Stichtag um 550.150 Personen. Damit fällt der Anstieg des Durchschnittsentgelts 2014 gegenüber 2013 geringer aus als im Szenario ohne Revision.
All dies bliebe womöglich ohne Konsequenzen für die Höhe der Rentenanpassung 2015, wenn auch für die Vorjahre auf die revidierten Daten zurückgegriffen würde. Dem aber steht § 68 Absatz 7 SGB VI entgegen. Der nämlich bestimmt, dass für die Vorjahre, also die Jahre vor 2014, die bei der letzten Rentenanpassung verwendeten Daten heran zu ziehen sind. Dies hat seine guten Gründe: Die Durchschnittsentgelte der Anpassungsformel sind immer vorläufiger Natur – maßgebend ist der Datenstand im März des Anpassungsjahres. Und diese zurückliegenden Werte werden bei den folgenden Anpassungen auch nicht aktualisiert, weil dadurch der Anpassungssatz infolge einer methodischen Inkongruenz unkorrekt ausfiele.
Ein Rechenbeispiel soll die Zusammenhänge verdeutlichen. Um die ganze Sache zu vereinfachen, wird im Folgenden eine Lohnsteigerung von jährlich drei Prozent unterstellt. Mit einer Ausnahme: Im Jahr 2014 betrage der Zuwachs der Löhne revisionsbedingt lediglich zwei Prozent.
Für die Anpassung der Renten ist allerdings nicht nur die Lohnentwicklung laut VGR maßgebend; die beinhaltet nämlich auch nicht beitragspflichtige Entgelte bzw. Entgeltbestandteile. Daher wird das VGR-Durchschnittsentgelt des jeweils vorvergangenen Jahres mit dem Faktor gewichtet, der sich aus der Division der Veränderungsrate der VGR-Entgelte des vorvergangenen gegenüber dem dritten zurückliegenden Kalenderjahr durch die Veränderungsrate der beitragspflichtigen Entgelte im gleichen Zeitraum ergibt. Oder einfacher: Der Änderungsfaktor der VGR-Durchschnittsentgelte wird durch einen Wichtefaktor dividiert (vgl. Übersicht). Hierbei werden die beitragspflichtigen Entgelte aus der Versichertenstatistik der Deutschen Rentenversicherung ermittelt und sind daher nicht betroffen von der Revision der Beschäftigungsstatistik. Beim Zuwachs der beitragspflichtigen Entgelte werden im Übrigen ebenfalls durchgehend drei Prozent pro Jahr unterstellt.
Für die Rentenanpassung 2015 wäre dann ein Anstieg des Durchschnittsentgelts von zwei Prozent maßgebend. Und da in den Jahren vor 2014 durchweg alle Veränderungsraten mit drei Prozent angenommen werden, hat der Wichtefaktor (1,0) zunächst keine Auswirkungen. Alleine aufgrund der Lohnentwicklung müssten die Renten also um zwei Prozent steigen – statt um drei Prozent ohne Datenrevision.
Bei der Rentenanpassung 2016 sind für den Lohnzuwachs nur noch revidierte VGR-Werte maßgebend; diese steigen der Annahme zufolge dann wieder um drei Prozent. Allerdings fällt der Wichtefaktor kleiner als eins aus, weil in dessen Berechnung noch der geringe Entgeltanstieg aus 2014 (zwei Prozent) eingeht und durch die höhere Zuwachsrate der beitragspflichtigen Entgelte (drei Prozent) zu dividieren ist. Alleine aufgrund der gewichteten Lohnentwicklung würden die Renten dann um vier Prozent steigen – statt um drei Prozent ohne Revision.