Raus aus Hartz IV 2025

Raus aus Hartz IV

Wie hoch muss der Bruttolohn sein?

Juni 2025 | Im Dezember 2023 stieß Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Ex-Grüner) auf der Suche nach dem SGB-II-Bedarf seiner vierköpfigen Familie auf den Hartz-IV-Rechner der Caritas. Der warf ihm einen Betrag von 3.368 Euro aus. Sein Fazit gegenüber BILD: »Wenn ich Alleinverdiener wäre, müsste ich schon um die 4500 brutto heim bringen, um dasselbe zu erreichen« – was seiner Rechnung nach einem Stundenlohn von fast 25 Euro entspräche.  Kurz zuvor hatte bereits sein Landrat, Joachim Walter (CDU), im SWR 1 eine ähnliche Rechnung aufgemacht.  Und Ende Mai 2024 zitierte Welt-online Holger Schäfer, Arbeitsmarktökonom vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, mit den Worten: »Schon bei einer vierköpfigen Familie kann es sein, dass die Stundenlöhne bei 20 Euro oder höher liegen müssen«, um aus der Bürgergeldberechtigung herauszukommen.

Dies sind nur einige wenige Bespiele dafür, wie in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, für die Überwindung der Leistungsberechtigung nach SGB II seien regelmäßig recht hohe Bruttolöhne erforderlich. Entsprechende Einzelfälle werden sich finden, vor allem aber konstruieren lassen. Mit der Wirklichkeit des SGB-II-Bezugs haben sie in aller Regel wenig bis nichts zu tun. So kann eine vierköpfige Alleinverdiener-Familie mit zwei minderjährigen Kindern im Alter ab 14 Jahren im Kreis Tübingen – auf Basis der BA-Daten zu den anerkannten durchschnittlichen regionalen Kosten der Unterkunft (Stand Januar 2025) – die SGB-II-Leistungsberechtigung bereits ab einem monatlichen Bruttolohn von 1.650 Euro verlassen; sind die beiden Kinder noch keine sechs Jahre alt, so reichen 1.250 Euro Bruttolohn. Bei einer Beschäftigung zum gesetzlichen Mindestlohn (12,82 Euro) wird dieser Bruttolohn mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 bzw. 23 Stunden erreicht.

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Bruttolohnschwellen (Stand: Januar 2025)

Alleinstehende

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Alleinerziehende mit einem Kind im Alter von14 Jahren

 
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Alleinerziehende mit zwei Kindern im Alter von 14 Jahren

 
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Kinderlose Paare

 
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Paare mit einem Kind im Alter von 5 Jahren

 
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Paare mit zwei Kindern im Alter von 5 Jahren

 
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Paare mit zwei Kindern im Alter von 14 Jahren

 
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Methodisches

Der Bedarf einer SGB-II-BG setzt sich zusammen aus

  • der Summe der von der maßgeblichen Regelbedarfsstufe abhängigen Regelbedarfe (RB) der Mitglieder der BG,
  • dem von Anzahl und/oder Alter der Kinder abhängigen Mehrbedarf (MB) bei Alleinerziehenden sowie
  • den Kosten der Unterkunft, die hier nach Bruttokaltmiete (BKM) und Heizkosten (Hzg) aufgeschlüsselt sind; die Daten basieren auf den Angaben der BA zur »Wohn- und Kostensituation SGB II« im Januar 2025 (Unterkunftsart Miete) für die 400 Kreise und kreisfreien Städte . Die Höhe der BKM ist für die Ermittlung des (rechnerischen) Wohngeldanspruchs maßgeblich.

Auf Basis des Gesamtbedarfs der BG wir die auf zehn Euro aufgerundete Bruttolohnschwelle ermittelt; diese Schwelle markiert die Höhe des monatlichen Bruttolohns (Alleinverdienende), ab der ein SGB-II-Leistungsanspruch gerade nicht mehr besteht. Hierzu wird der anrechenbare Nettolohn ermittelt und um die im Einzelfall zustehenden (vorrangigen) Sozialtransfers – Kindergeld (Kig), Unterhaltsvorschuss (Uhv), Kinderzuschlag (Kiz) und Wohngeld (Wog) – erhöht. Der von der Höhe des Bruttolohns abhängige Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit gem. § 11b Abs. 2 und Abs. 3 SGB II zählt nicht zum anrechenbaren Nettolohn. In der Summe ergibt sich das nach der Systematik des SGB II anrechenbare Einkommen der BG. Am Ende muss dieses mindestens die Höhe des Gesamtbedarfs erreichen, damit eine SGB-II-Leistungsberechtigung ausgeschlossen ist.

Neben dem anrechenbaren Einkommen wird schließlich noch das verfügbare Einkommen der BG ausgewiesen. Dieses entspricht der Summe aus anrechenbarem Einkommen und Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit. Damit liegt das verfügbare Einkommen stets mindestens um die Höhe des Freibetrags oberhalb des Gesamtbedarfs.

Rundungsbedingt kann es bei den im Einzelfall ausgewiesenen Summen zu leichten Abweichungen kommen.

Vergleichbare Befunde gelten für die weiteren hier untersuchten Bedarfsgemeinschaften (BG) in den 400 Landkreisen und kreisfreien Städten.

Bei Single-Bedarfsgemeinschaften (Regelbedarfsstufe 1), dem mit Abstand häufigsten BG-Typ, kann die Leistungsberechtigung nach SGB II weit überwiegend ab einem Bruttolohn von 1.410 Euro (einsetzende Besteuerung I/0) – also mit einer Beschäftigung zu rd. 25-Wochenstunden zum gesetzlichen Mindestlohn – überwunden werden. Mit einsetzender Besteuerung steigt c. p. der Wohngeldanspruch infolge eines zusätzlichen pauschalen Abzugs in Höhe von zehn Prozent vom wohngeldrelevanten Einkommen, so dass das nach SGB II anrechenbare Einkommen im Ergebnis über den individuellen SGB-II-Bedarf hinaus ansteigt – teilweise »springt«. Höhere Bruttolohnschwellen gelten beispielsweise für den Großraum München oder auch im Rhein-Main-Gebiet.

Alleinerziehenden-BGs (Regelbedarfsstufe 1 plus Mehrbedarf) mit einem minderjährigen Kind im Alter ab 14 Jahren (Regelbedarfsstufe 4) benötigen in aller Regel einen (deutlich) geringeren Bruttolohn als Alleinstehende, um die SGB-II-Leistungsberechtigung zu überwinden bzw. zu vermeiden. Zwar liegt deren SGB-II-Bedarf merklich oberhalb des Bedarfs von Single-BGs – andererseits besteht für diesen BG-Typ neben dem Wohngeld noch Anspruch auf weitere Sozialtransfers (Kindergeld, Unterhaltsvorschuss und Kinderzuschlag), deren Inanspruchnahme die maßgebende Bruttolohnschwelle entsprechend senkt. Im Bundesdurchschnitt liegt die Schwelle für diesen BG-Typ bei 900 Euro, was gut 16 Wochenstunden zum gesetzlichen Mindestlohn entspricht. – Alleinerziehenden-BGs mit zwei minderjährigen Kindern im Alter ab 14 Jahren können die SGB-II-Schwelle in rund 80 Prozent aller Kreise und kreisfreien Städte mit Erreichen der Mindesteinkommensgrenze für den Kinderzuschlag (600 Euro Brutto/Monat) überwinden; in den neuen Ländern reicht dieser Betrag bei jeweils durchschnittlichen Kosten der Unterkunf in sämtlichen Kreisen und kreisfreien Städten aus. Ein Monats-Brutto von 600 Euro lässt sich mit einer Beschäftigung von knapp elf Wochenstunden zum gesetzlichen Mindestlohn erzielen.

Alleinverdienende kinderlose Paare (je Regelbedarfsstufe 2) weisen die höchsten Bruttolohnschwellen unter den sieben hier betrachteten BG-Typen auf (Bundesdurchschnitt: 2.454 Euro). Die Spitzenposition nimmt der Kreis München ein; bei den zugrunde gelegten durchschnittlichen Werten für Bruttokaltmiete und Heizung betrug die Bruttolohnschwelle dort im Januar 2025 2.970 Euro. Bei diesem BG-Typ stellt sich allerdings die Frage, ob das hier unterstellte Alleinverdiener-Modell ein adäquates Referenzszenario abbilden kann.

Für Paar-Haushalte mit einem nicht schulpflichtigen Kind (Regelbedarfsstufe 6) liegen die Bruttolohnschwellen – trotz deutlich höheren SGB-II-Bedarfs – im Bundesdurchschnitt nahezu 600 Euro niedriger als bei kinderlosen Paaren. Zusätzliche Sozialtransfers (Kindergeld und Kinderzuschlag) sowie deutlich höhere Wohngeldansprüche tragen wesentlich zu diesem Ergebnis bei. – Leben in der BG zwei nicht schulpflichtige Kinder, so sinkt die Bruttolohnschwelle im Vergleich zum kinderlosen Paar im Schnitt um noch einmal rund 600 Euro. In aller Regel kann die SGB-II-Leistungsberechtigung in diesem Fall mit einer Beschäftigung zum gesetzlichen Mindestlohn im Umfang von 21 bis 29 Wochenstunden vermieden werden.

Bedarfsgemeinschaften von Paaren mit zwei minderjährigen Kindern im Alter ab 14 Jahren weisen mit im Bundesdurchschnitt rd. 2.812 Euro den höchsten SGB-II-Bedarf unter den hier ausgewählten BG-Typen auf. Der Median der Bruttolohnschwelle in den 400 Kreisen und kreisfreien Städten lag im Januar 2025 bei 1.675 Euro – dies entspricht einer Beschäftigung von rund 30 Wochenstunden zum gesetzlichen Mindestlohn.

Die folgende Tabelle erleichtert die Einordnung der Bruttolohnschwellen durch entsprechende Umrechnung in die bei Entlohnung zum gesetzlichen Mindestlohn erforderliche Wochenarbeitszeit. Für höhere Bruttolohnschwellen kann zudem der erforderliche Stundenlohn bei einer 38-Stunden-Woche abgelesen werden.


Bruttolohn-Schwelle ≙ WAZ zum MiLo (12,82 €) in Std. Bruttolohn-Schwelle ≙ WAZ zum MiLo (12,82 €) in Std. ≙ Std.-Lohn bei WAZ von 38 Std.
Euro Std. Euro Std. Euro
600 10,8 1.900 34,2 -
650 11,7 1.950 35,1 -
700 12,6 2.000 36,0 -
750 13,5 2.050 36,9 -
800 14,4 2.100 37,8 -
850 15,3 2.150 38,7 13,06
900 16,2 2.200 39,6 13,36
950 17,1 2.250 40,5 13,66
1.000 18,0 2.300 41,4 13,97
1.050 18,9 2.350 42,3 14,27
1.100 19,8 2.400 43,2 14,58
1.150 20,7 2.450 44,1 14,88
1.200 21,6 2.500 45,0 15,18
1.250 22,5 2.550 45,9 15,49
1.300 23,4 2.600 46,8 15,79
1.350 24,3 2.650 47,7 16,09
1.400 25,2 2.700 48,6 16,40
1.450 26,1 2.750 49,5 16,70
1.500 27,0 2.800 50,4 17,00
1.550 27,9 2.850 51,3 17,31
1.600 28,8 2.900 52,2 17,61
1.650 29,7 2.950 53,1 17,92
1.700 30,6 3.000 54,0 18,22
1.750 31,5 3.050 54,9 18,52
1.800 32,4 3.100 55,8 18,83
1.850 33,3 3.150 56,7 19,13