Diffusionsniveau 2024
Systemische Verschmelzung von Rente und Fürsorge
Diffusionsniveau ist deutlich gestiegen
Johannes Steffen | April 2025
Bei langjähriger Beitragszahlung aus vollzeitnaher Beschäftigung sollte die Rente eine Versorgung ermöglichen, die bei typisierender Betrachtung den Anspruch auf aufstockende Grundsicherung im Alter (deutlich) ausschließt. Ist dies nicht gewährleistet, so verliert die Pflichtversicherung an Akzeptanz. Warum sollen ein Erwerbsleben lang Pflichtbeiträge in nicht unerheblicher Höhe gezahlt werden, wenn die am Ende erreichbare Altersrente alleine Fürsorgeberechtigung nicht zuverlässig ausschließen kann?
Die systemische Verschmelzung von Pflichtversicherung (Rente) und Fürsorge (Grundsicherung im Alter) hat über die vergangenen gut zwanzig Jahre deutlich zugenommen. Festmachen lässt sich dies an der Entwicklung des Diffusionsniveaus.
Hierbei wird die (bundesdurchschnittliche) Einkommensschwelle für einen Anspruch auf Altersgrundsicherung ins Verhältnis gesetzt zum Zahlbetrag einer Altersrente nach 45 Beitragsjahren mit einer Entgeltposition in Höhe von 75 Prozent des Durchschnittsentgelts – also aus 33,75 originären persönlichen Entgeltpunkten. Mit dem Rückgriff auf einen 75-Prozent-Verdienst wird zum Ausdruck gebracht, dass die Akzeptanz der Pflichtversicherung nicht erst dann in Gefahr gerät, wenn sich der Zahlbetrag der Standardrente aus 45-jährigem Durchschnittsverdienst der Schwelle zur Grundsicherungsberechtigung annähert.
Das Diffusionsniveau ist von 71,1 Prozent (2003) auf 106,0 Prozent Ende 2024 gestiegen. Mit dem Zahlbetrag der Altersrente aus 45-jähriger Beitragszahlung zu 75 Prozent des Durchschnittsentgelts plus »Grundrente« kann die Schwelle zur Grundsicherungsberechtigung derzeit nicht überschritten werden.
Diese Entwicklung ist Resultat der Rentenniveausenkung sowie eines steigenden Fürsorgeniveaus bei langjähriger Versicherung. Das Rentenniveau – hier ausgewiesen als Sicherungsniveau nach Sozialbeiträgen (SnSV) – ist von 56,8 Prozent (2003) auf 52,1 Prozent 2024 gesunken. Gleichzeitig ist das Fürsorgeniveau – Schwelle zur Grundsicherungsberechtigung im Verhältnis zum Durchschnittsentgelt nach Abzug von Sozialbeiträgen – von 30,3 Prozent auf 43,4 Prozent gestiegen.
Beim Fürsorgeniveau schlagen gegenläufige Entwicklungen zu Buche: Eine Neuregelung der Berechnung des Bruttobedarfs dämpft dessen Durchschnittswert seit 2018. Der mit dem Grundrentengesetz 2021 neu eingeführte Rentenfreibetrag in Höhe des halben Eckregelsatzes der Sozialhilfe hebt die Schwelle zur Grundsicherungsberechtigung für die referenzierte Versicherungsbiografie um einen Betrag, der seinerzeit dem Äquivalent von 7,35 Entgeltpunkten entsprach; demgegenüber erhöht die Grundrente den Rentenanspruch bei 75-Prozent-Verdienst lediglich um 1,5435 Entgeltpunkte. Schließlich schlägt 2023 und 2024 die zeitnähere Berücksichtigung der Inflation bei der Regelsatzfortschreibung deutlich zu Buche.
Fazit: Auch die im (nicht mehr verabschiedeten) Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz der Ampel-Koalition vorgesehene dauerhafte Festschreibung der Rentenniveausenkung auf 48 Prozent hätte einen weiteren Anstieg des Diffusionsniveaus nicht verhindern können. Notwendig bleibt die Anhebung des Rentenniveaus auf den Stand zu Beginn des Jahrhunderts.