Kürzung von Bundesmitteln für die allgemeine Rentenversicherung
9,6 Milliarden Euro
Kürzung von Bundesmitteln für die allgemeine Rentenversicherung – 2022 bis 2027
Johannes Steffen | September 2024
Zum wiederholten Mal saniert der Bund seinen Haushalt zu Lasten der allgemeinen Rentenversicherung (aRV). Die Streichung von Sonderzahlungen, direkte Kürzungen sowie Neuregelungen bei der jährlichen Fortschreibung der Bundeszuschüsse summieren sich in den Jahren 2022 bis 2027 auf ein Volumen von 9,6 Milliarden Euro. Dies entspricht dem Finanzaufkommen von rd. einem halben Beitragssatzpunkt.
Das SGB VI kennt drei verschiedene Bundeszuschüsse zur allgemeinen Rentenversicherung: den (allgemeinen) Bundeszuschuss, den zusätzlichen Bundeszuschuss sowie den Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss.
Allgemeiner Bundeszuschuss. – Ihm kommt eine Entlastungs-, Ausgleichs- und Sicherungsfunktion zu. Die Mittel dienen sowohl teilweise der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, die der aRV übertragen wurden, wie auch der Finanzierung sozialen Ausgleichs, der per Definition nicht dem reinen Versicherungsprinzip folgt. Zudem soll er die Leistungsfähigkeit der aRV auch unter sich verändernden demografischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sicherstellen. Die jährliche Fortschreibung des Zuschusses erfolgt auf Basis der Änderungsrate der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im jeweiligen Vorjahr sowie der evtl. Änderungsrate des Beitragssatzes im Folgejahr; so wird eine relativ konstante Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der aRV gewährleistet. – Die Dynamisierungs-Formel für den allgemeinen Bundeszuschuss gilt nur für das alte Bundesgebiet; davon zu unterscheiden ist der sog. »Bundeszuschuss-Beitrittsgebiet«. Dieser wird jeweils für ein Kalenderjahr in der Höhe geleistet, die sich ergibt, wenn die Rentenausgaben für dieses Kalenderjahr einschließlich der Aufwendungen für Kindererziehungsleistungen (für Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1927) und abzüglich erstatteter Aufwendungen für Renten und Rententeile mit dem Verhältnis vervielfältigt werden, in dem der Bundeszuschuss in den alten Ländern zu den Rentenausgaben desselben Kalenderjahres einschließlich der Aufwendungen aus der Erbringung von Kindererziehungsleistungen steht (Anteilsgleichheit in West und Ost).
Zusätzlicher Bundeszuschuss. – Der zusätzliche Bundeszuschuss dient der pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen; er verändert sich jährlich entsprechend der Veränderungsrate der Steuern vom Umsatz, wobei Änderungen der Steuersätze im Jahr ihres Wirksamwerdens unberücksichtigt bleiben.
Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss. – Der Erhöhungsbetrag zielte bei seiner Einführung im Jahr 2000 auf die Entlastung des »Kostenfaktors Arbeit« mittels einer spürbaren Senkung des Beitragssatzes zur aRV. Seine jährliche Fortschreibung erfolgt auf Basis der Änderungsrate der Bruttolohn- und -gehaltssumme im jeweiligen Vorjahr.
Sonderzahlungen des Bundes 2022 bis 2025. – Mit dem RV-Leistungsverbesserungs- und –Stabilisierungsgesetz v. 28. November 2018 waren zudem für die Einhaltung der Beitragssatzobergrenze von 20 Prozent Sonderzahlungen des Bundes vorgesehen. Der Ausgangsbetrag in Höhe von 0,5 Mrd. Euro in 2022 war in den Jahren 2023 bis 2025 analog der Fortschreibungsregel des allgemeinen Bundeszuschusses zu dynamisieren.
Zwei Sonderregelungen gelten derzeit noch für den allgemeinen Bundeszuschuss sowie für den Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss. Beide Zuschüsse werden um einen pauschalen Minderungsbetrag in Höhe von 340 Mio. Euro bzw. 409 Mio. Euro gekürzt. Ein sog. »Korrekturmechanismus« sorgt dafür, dass die Kürzungsbeträge von der jährlichen Dynamisierung ausgeschlossen und damit nominal konstant bleiben: Zwecks Fortschreibung werden die Zuschüsse zunächst um den jeweiligen Minderungsbetrag erhöht und anschließend wieder um eben diesen Betrag reduziert.
Mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2022 wurde zunächst die Sonderzahlung für 2022 gestrichen; durch das Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz entfielen die Zahlungen auch für die Jahre 2023 bis 2025.
Das Haushaltsfinanzierungsgesetz 2023 sah für die Jahre 2024 bis 2027 eine Kürzung des Erhöhungsbetrags zum zusätzlichen Bundeszuschuss um jeweils 0,6 Mrd. Euro vor; diese Beträge wurden kurz darauf durch das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 auf 1,2 Mrd. Euro verdoppelt.
Im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes 2025 sind weitere Kürzungen des Erhöhungsbetrags zum zusätzlichen Bundeszuschuss vorgesehen – in Höhe von 1,0 Mrd. Euro (2025), 0,7 Mrd. Euro (2026) und 0,3 Mrd. Euro (2027).
Eine »versteckte« Mittelkürzung resultiert aus den im Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz vorgesehenen Änderungen der Berechnungsweise der Zuschüsse des Bundes. So sollen die bisherigen Minderungsbeträge beim allgemeinen Bundeszuschuss sowie beim Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss bereits ab dem laufenden Kalenderjahr gestrichen werden – Ausgangsbetrag für die Fortschreibung wären damit die geminderten Zuschüsse des Jahres 2023. Trotz Streichung der Minderungsbeträge bleibt deren Wirkung damit nicht nur dauerhaft erhalten – sie wird künftig mit dem jeweiligen Bundeszuschuss fortgeschrieben, also (anders als bislang) dynamisiert, und verstärkt sich damit von Jahr zu Jahr.
In der Summe belaufen sich die Kürzungen der Bundesmittel an die allgemeine Rentenversicherung in den Jahren 2022 bis 2027 auf mindestens 9,6 Mrd. Euro. Der Entzug finanzieller Mittel ändert nichts an den Ausgaben der Rentenversicherung – er geht damit am Ende zu Lasten der Beitragszahlenden und Rentenbeziehenden. Nach Einschätzung der DRV Bund wird der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung ab 2028 um 0,1 Prozentpunkte höher ausfallen als bislang erwartet wurde.