Erklärung von Grüne-MdBs

Erklärung nach § 31 GO

von 18 Bündnis 90/Die Grünen-MdBs vom 15.11.2002

Schriftliche Erklärung zur namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz- BSSichG)

Wir stimmen dem Gesetzentwurf zur Sicherung der Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung nur mit Bedenken zu. Die Anhebung der Rentenversicherungsbeiträge halten wir für ein falsches Signal.

Die rot-grüne Bundesregierung hat von den Wählern den Auftrag für vier weitere Jahre Reformpolitik erhalten. Wir sehen zu einer solchen Reformpolitik und zur rot-grünen Koalition keine Alternative.

Kernanliegen einer verantwortungsvollen und angemessenen rot-grünen Politik muss eine strukturelle Reform der Sozialversicherungssysteme sein.

Die Stabilität der Rentenversicherung ist sowohl durch die Veränderungen der Arbeitswelt, als auch durch die demographische Entwicklung bereits seit langem gefährdet. Obwohl die Mängel hinlänglich bekannt sind, hat noch keine Regierung eine ausreichende Reformlösung umgesetzt. Zu häufig wurde versucht, die Symptome anstelle der Ursachen zu beseitigen. Die Reform der Sozialversicherungssysteme muss diesen Herausforderungen gerecht werden. Die Rentenreform der letzten Legislaturperiode war ein wichtiger Paradigmenwechsel zu mehr Eigenverantwortung, bei gleichzeitiger Unterstützung der sozial Schwächeren. Dies war ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mit dem Ergebnis können wir uns aber nicht zufrieden geben.

Es ist absehbar, dass die gesetzliche Rentenversicherung in den kommenden Jahren mit immer weniger Beitragszahlern immer mehr Rentenempfänger finanzieren muss. Der Handlungsbedarf der sich aus dieser Schieflage ableitet, ist den Menschen durchaus bewusst. Es ist daher nur verantwortungsvoll, eine ehrliche und solidarische Reform anzugehen und den Bürgerinnen und Bürgern die Planungssicherheit wiederzugeben, die über die letzten Jahrzehnte verloren gegangen ist.

Unser Ziel ist es, der jungen Generation eigene Handlungsspielräume zu erhalten und gleichzeitig der älteren Generation einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. Es geht nicht um einen Konflikt „Jung gegen Alt“. Es geht vielmehr darum, die Interessen aller Generationen miteinander zu vereinbaren und den Generationenvertrag gerecht zu gestalten. Der Generationenvertrag kann nur auf Gegenseitigkeit beruhen: In einem gerechten Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der älteren und der jüngeren Generationen.

Wir nehmen wahr, dass es in dieser Gesellschaft eine große Bereitschaft zu einer solidarischen Reform gibt und auch die älteren Generationen die Notwendigkeit eines langfristigen Umbaus mit Augenmaß erkannt haben.

Wir bedauern, dass das Prinzip der Generationengerechtigkeit für die Übergangszeit bis zu einer grundlegenden Reform nicht berücksichtigt wird und einseitig die jungen Generationen durch Beitragssteigerungen und die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen belastet werden.

Neben der gerechten Finanzierung der Alterssicherung zwischen den Generationen muss auch die gerechte Finanzierung innerhalb einer Generation gewährleistet werden. Wir fordern die Einführung einer Bürgerversicherung, die auch Beamte, Selbstständige und Parlamentarier mit umfasst.

Die Steigerung der Lohnnebenkosten ist ein falsches wirtschaftliches Signal. Arbeit muss in unserem Land billiger werden. Die Finanzierung des Rentenversicherungssystems muss daher langfristig noch stärker kapitalgedeckt sein.

Wir stimmen dem vorliegenden Gesetz nur zu, weil zugleich die Einsetzung der Kommission die Perspektive für eine grundlegende Rentenreform eröffnet: Generationengerechtigkeit und Senkung der Lohnnebenkosten sind als Reformmaßstäbe im Arbeitsauftrag der Kommission explizit fest geschrieben. Denn in dem Reformauftrag heißt es:

„Es ist Aufgabe der Kommission, Vorschläge für eine nachhaltige Finanzierung und Weiterentwicklung der Sozialversicherungen zu entwickeln. Insbesondere muss es darum gehen, die langfristige Finanzierung der sozialstaatlichen Sicherungsziele und die Generationengerechtigkeit zu gewährleisten. (...) Um beschäftigungswirksame Impulse zu geben, sollen Wege dargestellt werden, wie die Lohnnebenkosten gesenkt werden können.“

Wir werden uns konstruktiv an der Debatte und der noch in dieser Legislaturperiode notwendigen Umsetzung der Kommissionsergebnisse beteiligen.

Berlin, 15.11.2002

Alexander Bonde, MdB
Anna Lührmann, MdB
Grietje Bettin, MdB
Josef Winkler, MdB
Kerstin Andreae, MdB
Christine Scheel, MdB
Michaele Hustedt, MdB
Albert Schmidt, MdB
Anja Hajduk, MdB
Rainder Steenblock, MdB
Werner Schulz, MdB
Petra Selg, MdB
Hubert Ulrich, MdB
Dr. Antje Vogel-Sperl, MdB
Franziska Eichstädt-Bohlig, MdB
Peter Hettlich, MdB
Ulrike Höfken, MdB
Marianne Tritz, MdB