Kurz kommentiert

Lohn- oder Inflationsanpassung der Renten?

24.03.2023 | Mitte des Jahres werden die Renten – genauer: die aktuellen Rentenwerte – um 4,39 Prozent in den alten Ländern und um 5,86 Prozent in den neuen Ländern erhöht. Damit bleibt die Rentenanpassung hinter der im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung für das laufende Jahr erwarteten Inflationsrate von 6,0 Prozent zurück. Das dritte Jahr in Folge drohen Kaufkraftverluste. Dies räumt auch das BMAS ein, betont aber zugleich: »Betrachtet man die Entwicklung des aktuellen Rentenwerts im Jahresdurchschnitt in den letzten zehn Jahren seit 2012, so beträgt der Anstieg (…) 26 Prozent (…). Im gleichen Zeitraum sind die Preise nur um 20 Prozent gestiegen.«

Wie so häufig kommt es aber auch hier auf den Blickwinkel an – oder exakter: auf das Basisjahr. Denn das, was das BMAS für die vergangenen zehn Jahre korrekt berechnet hat, trifft bei einem Vergleichszeitraum von zwanzig oder dreißig Jahren nicht mehr zu. Die Verbraucherpreise stiegen im Langzeitvergleich am Ende (leicht) stärker als der aktuelle Rentenwert.

Lohn- oder Inflationsanpassung der Renten?

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Wären die Rentnerinnen und Rentner bei einer Inflationsanpassung der Renten also besser gefahren als bei der gängigen Lohnanpassung der Altersbezüge? – Auf den ersten Blick scheint es so zu sein. Bei Beantwortung der Frage sind jedoch einige Faktoren zu berücksichtigen, die sich hinter der indexierten Entwicklung des aktuellen Rentenwerts verbergen.

Lohnanpassung der Renten bedeutet (vereinfacht): Bindung an die Veränderung der Bruttolohn- und -gehaltssumme je ArbeitnehmerIn (Köpfe). Damit hat beispielsweise der langfristige Trend hin zu mehr Teilzeitarbeit die Entwicklung der so berechneten nominalen Lohnzuwächse gedämpft. Zudem haben politische Eingriffe wie etwa die Riester-Reform zu Beginn des Jahrhunderts zu einer Abkoppelung der Renten- von der Lohnentwicklung geführt (Änderung der Rentenanpassungsformel). Es wäre wohl politisch blauäugig, anzunehmen, eine Inflationsanpassung hätte ohne vergleichbare politische Eingriffe ablaufen können.

Insgesamt gesehen wäre eine Inflationsanpassung der Renten also kein Garant für langfristig stärker steigende Renten – auch wenn die Differenz zwischen den Veränderungsraten in einzelnen Jahren durchaus beachtlich sein kann (vgl. Tabelle).


Jahr Aktueller Rentenwert (JD) Verbraucherpreise
Veränderung ggü. Vorjahr in v. H.
1992 3,8 5,0
1993 3,6 4,5
1994 3,9 2,7
1995 1,9 1,9
1996 0,8 1,4
1997 1,2 1,9
1998 1,0 0,8
1999 0,9 0,7
2000 1,0 1,3
2001 1,3 2,0
2002 2,0 1,4
2003 1,6 1,0
2004 0,5 1,6
2005 0,0 1,6
2006 0,0 1,6
2007 0,3 2,3
2008 0,8 2,6
2009 1,8 0,3
2010 1,2 1,0
2011 0,5 2,2
2012 1,6 1,9
2013 1,2 1,5
2014 1,0 1,0
2015 1,9 0,5
2016 3,2 0,5
2017 3,1 1,5
2018 2,6 1,8
2019 3,2 1,4
2020 3,3 0,5
2021 1,7 3,1
2022 2,7 6,9
2023 4,9 6,0*

Quelle: DRV Bund, DESTATIS, eigene Berechnungen | JD = Jahresdurchschnitt | * Prognose JWB 2023

Kindergrundsicherung – FDP-Finanzobmann irritiert mit eigenwilligen Berechnungen

06.03.2023 | Mit der im Koalitionsvertrag der Ampel verankerten Kindergrundsicherung sollen ab 2025 verschiedene sozialpolitische Leistungen für Familien gebündelt werden. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) veranschlagt für das Projekt einen Finanzbedarf in Höhe von rund zwölf Milliarden Euro. Finanzminister Christian Lindner (FDP) rechnet dagegen mit einem zusätzlichen Finanzbedarf in einstelliger Milliardenhöhe.

Lindners Parteikollege Markus Herbrand – finanzpolitischer Sprecher und Obmann im Finanzausschuss für die FDP-Bundestagsfraktion – machte am Wochenende in einem Gastbeitrag für die Wirtschaftswoche eine recht eigenwillige Rechnung auf. Folgt man seiner Logik, so widerspricht er – entgegen seiner eigentlichen Intention – nicht nur seinem Chef, sondern überbietet auch den von Lisa Paus angemeldeten Finanzbedarf. Doch der Reihe nach.

Sowohl für Lindner als auch für Herbrand schießen die von Familienministerin Paus vorgelegten Eckpunkte und die von ihr und ihrer Partei geforderten Milliardenbeträge über das Ziel hinaus. Herbrand wörtlich: »Bereits jetzt stellt die Ampel-Koalition ärmeren Familien mit der Kindergelderhöhung, den höheren Regelsätzen in SGB II und XII, dem Kindersofortzuschlag und einem erhöhten Kinderzuschlag zusätzlich bis zu 116 Euro im Monat und pro Kind zur Verfügung.«

Wie um alles in der Welt aber kommt der Betrag von bis zu 116 Euro pro Kind und Monat zustande? – Verglichen wird die Höhe der einschlägigen Transferleistungen im Jahr 2023 mit dem Stand vom Juni 2022. In diesem Zeitraum wurde das Kindergeld für das erste und zweite Kind um 31 Euro erhöht, der Kinderregelsatz für Jugendliche stieg um 44 Euro und der Maximalbetrag des Kinderzuschlags legte um 41 Euro zu. Unterm Strich also ein rechnerisches Plus von 116 Euro pro Monat und Kind.


Transferleistung Juni 2022 in Euro/M 2023 in Euro/M Erhöhung in Euro/M
Kindergeld 1. und 2. Kind 219 250 31
Kindergeld 3. Kind 225 250 25
Kindergeld ab 4. Kind 250 250 0
Kinderregelsatz vom 15. bis zur Vollendung des 18. Lj. 376 420 44
Kinderregelsatz vom 7. bis zur Vollendung des 14. Lj. 311 348 37
Kinderregelsatz bis zur Vollendung des 6. Lj. 285 318 33
Kindersofortzuschlag (SGB II / SGB XII) 0 20 20
Kinderzuschlag (Maximum) 209 250 41
Summe Erhöhungen (Maximum) - - 116

Der Haken an Herbrands Summenbildung: Kein einziges Kind kann nach geltendem Recht alle genannten Leistungen additiv erhalten:

  • Kindergeld wird auf den Regelbedarf des Kindes (Kinderregelsatz) in voller Höhe angerechnet – eine Erhöhung des Kindergeldes ist für Kinder im Bezug von Bürgergeld (SGB II) bzw. Sozialhilfe (SGB XII) ein Nullsummenspiel.
  • Andererseits setzt ein Anspruch auf Kinderzuschlag die Überwindung bzw. Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach SGB II voraus. Der gleichzeitige Bezug von Bürgergeld und Kinderzuschlag ist demnach nicht möglich.

Herbrands Summenbildung ist nach gegenwärtigem Rechtsstand also Unsinn. – Sollten allerdings die sozialrechtlichen Leistungsansprüche künftig nach Herbrands Rechen-Logik (Parallelbezug und ohne gegenseitige Anrechnung) ausgestaltet werden, so läge der finanzielle Mehrbedarf selbst ohne das Ampel-Projekt »Kindergrundsicherung« deutlich im zweistelligen Milliardenbereich.

AltersrentnerInnen in der Grundsicherung

23.01.2023 | Am 22. Januar 2023 las man im RND: »Linksfraktionschef Bartsch kritisiert: Immer mehr Rentner sind auf Grundsicherung angewiesen«. Die Kritik basiert auf Daten des Statistischen Bundesamtes, die die Bundestagsfraktion der Linken erfragt hat; Daten, die im Übrigen auch der breiteren Öffentlichkeit jederzeit über GENESIS-ONLINE zur Verfügung stehen.

Danach ist die Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter nach SGB XII allein von Juni bis September 2022 innerhalb von drei Monaten von 628.570 auf 647.515 gestiegen. Das sind 18.945 Personen mehr. Im Vorjahresvergleich zum September 2021 sind es sogar 68.420 Personen mehr, was einem Anstieg von rund 12 Prozent entspricht (vgl. unteren Tabellenteil).

Seit Inkrafttreten des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) 2003 hat sich die Anzahl älterer BezieherInnen (ab Alter 65 bzw. seit 2012 ab Regelaltersgrenze) von Grundsicherung im Alter deutlich erhöht – wobei in den Jahren 2003 und 2004 von einer Untererfassung der GSiG-Fälle auszugehen ist, da viele Hilfebedürftige noch in der BSHG-Statistik geführt wurden.


Jahr* bzw. Monat Personen im Alters-GruSi-Bezug insgesamt davon mit Bezug einer Altersrente dito in Prozent Anteil GruSi beziehender RentnerInnen an allen Inlandsrenten wegen Alters ab RAG ** in Prozent
2003 257.734 158.269 61,4 1,2
2004 293.137 180.773 61,7 1,3
2005 342.855 218.105 63,6 1,5
2006 364.535 237.989 65,3 1,6
2007 392.368 260.372 66,4 1,8
2008 409.958 270.909 66,1 1,8
2009 399.837 271.749 68,0 1,8
2010 412.081 283.327 68,8 1,9
2011 436.210 308.421 70,7 2,0
2012 464.066 338.371 72,9 2,2
2013 497.433 371.335 74,7 2,4
2014 512.198 388.093 75,8 2,5
2015 536.121 414.698 77,4 2,7
2016 525.595 404.836 77,0 2,6
2017 544.090 421.593 77,5 2,7
2018 559.419 411.033 73,5 2,6
2019 561.969 412.711 73,4 2,6
2020 564.110 414.305 73,4 2,6
2021 588.780 432.995 73,5 2,7
Sept 2021 579.095 426.500 73,6 -
Juni 2022 628.570 445.720 70,9 -
Sept 2022 647.515 448.510 69,3 -
* Jahresende ** RAG = Regelaltersgrenze
Quelle: DESTATIS, DRV, eigene Berechnungen

Die Anzahl der Rentnerinnen und Rentner, die Leistungen der Alters-Grundsicherung beziehen, steigt aber seither kontinuierlich an. Angesichts des Altersaufbaus der Bevölkerung ist dies allerdings nicht überraschend. Der Anteil der Rentnerinnen und Rentner mit GruSi-Bezug an allen Inlandsrenten wegen Alters ab der Regelaltersgrenze ist über die vergangenen Jahre deshalb auch relativ stabil geblieben.

Die starke Zunahme im September 2022 gegenüber dem Vorquartal bzw. gegenüber September 2021 ist nicht in der Hauptsache auf die zunehmende Verarmung älterer RentenbezieherInnen zurückzuführen – sie hat andere Ursachen. Der Zuwachs an Grundsicherung beziehenden Älteren betrug insgesamt 68.420 Personen oder 11,8 Prozent (Sept 2022 zu Sept 2021).

  • Bei den Personen mit Altersrentenbezug betrug der Zuwachs 5,2 Prozent – bei den Personen ohne Altersrentenbezug waren es 30,4 Prozent.
  • Damit entfielen vom Gesamtzuwachs lediglich 32,2 Prozent oder 22.010 Personen auf Fälle mit einer als Einkommen anrechenbaren Altersrente – die Fälle ohne anrechenbare Altersrente machen demgegenüber vom Gesamtzuwachs 67,8 Prozent oder 46.410 Personen aus.

Der Anteil der Grundsicherung Beziehenden mit einer als Einkommen angerechneten Altersrente sank dementsprechend auf zuletzt 69,3 Prozent (vgl. Tabelle). Zurückzuführen ist der Anstieg der Gesamtzahl an Grundsicherung Beziehenden wohl hauptsächlich auf die Einbeziehung aus der Ukraine geflüchteter Personen (i.d.R. ohne anrechenbaren Altersrentenbezug) in die Leistungsberechtigung nach SGB XII ab 1. Juni 2022.