Sozialpolitik
Rentenanpassung 2023
Starker Lohnanstieg in den neuen Ländern führt zu vorzeitiger Rentenangleichung Ost
02. April 2023 | Zum 1. Juli 2023 steht für die Altersbezüge der gut 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner abermals eine deutliche Erhöhung an. Der aktuelle Rentenwert steigt um 4,39 Prozent auf 37,60 Euro und der aktuelle Ren-tenwert (Ost) wird um 5,86 Prozent auf ebenfalls 37,60 Euro angehoben. Damit wird die Rentenangleichung Ost ein Jahr früher erreicht als im gesetzlichen Stu-fenplan vorgesehen. Die Faktoren der Anpassungsformel tragen in unterschiedlicher Weise zu diesem Ergebnis bei. So haben die anpassungsrelevanten Löhne im Westen mit 4,5 Prozent und im Osten mit 6,7 Prozent noch einmal stark zugelegt während der Nachhaltigkeitsfaktor leicht anpassungsdämpfend wirkt.
Messung von Einkommensarmut
05. März 2023 | Einkommensarmut wird anhand von Indikatoren zur Ungleichheit der Einkommensverteilung gemessen. Danach gilt als armutsgefährdet, wer ein monatliches Einkommen unterhalb von 60 Prozent des Durchschnitts bezieht. Armutsgefährdet – und nicht arm – unter anderem deshalb, weil nur Einkommen erfasst werden und Vermögen ebenso wenig berücksichtigt werden wie tatsächliche Bedarfe.
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in der Kritik
Babyboomer und die Altersrente mit 63 – schöne Story, aber falsch!
13. Dezember 2022 | Am 10. Dezember gab das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung eine Pressemitteilung heraus mit dem Titel »Renteneintritt der Babyboomer: Für viele ist schon mit 63 Schluss«. Diese Aussage wird nicht mit Zahlen untersetzt. Kein Wunder also, dass verschiedene Medien dies ungenau abgeschrieben und noch ungenauer weiterverbreitet haben. Tatsächlich sagen Zahlen etwas völlig anderes aus.
CDU-Vize geht IfW-»Studie« auf den Leim
Carsten Linnemann im Fake-Netzwerk
05. November 2022 | Am 3. November veröffentlichte das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) ein Papier unter dem Titel »Bürgergeld und Lohnabstandsgebot«. Das Handelsblatt übersetzte die dortigen Berechnungen in die Headline: »Wenn sich Arbeit nicht mehr lohnt – IfW-Studie zeigt: Haushalte in denen eine Person zum Mindestlohn arbeitet, stehen künftig oft schlechter da als Bürgergeld-Empfänger«. Und am späten Abend des 3. November hatte CDU-Vize Carsten Linnemann bei »Maybrit Illner« seinen »großen« Auftritt im ZDF.
Daten und Erläuterungen zum geplanten Bürgergeld-Gesetz
Das Narrativ von der nicht lohnenden Arbeit
17. Oktober 2022 | Mitte September passierte der Entwurf eines Bürgergeld-Gesetzes das Bundeskabinett und wurde unmittelbar danach ins parlamentarische Verfahren eingebracht. Ein recht bunt und argumentativ »turbulent« bestücktes Lager kritisiert die »zu hohen Regelsätze« und beklagt zudem, dass Hilfebedürftige den Planungen zufolge kaum noch gefordert seien; ihnen fehlt die »harte Hand« des fördernden Sozialstaats. Seine Zuspitzung findet die Argumentation des Anti-Bürgergeld-Lagers mal wieder in der Behauptung, dass sich Arbeit vor dem Hintergrund des neuen Bürgergeldes nicht mehr lohne. Vor allem in den »Sozialen Medien« kursieren diverse Beispiele, die dies belegen oder nahelegen sollen.
Empfängerquoten 2005 bis 2021
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach Ländern
05. August 2022 | Im Dezember 2021 erhielten bundesweit rund 1,1 Millionen Personen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach Kapitel 4 SGB XII. Bezogen auf die erwachsene Wohnbevölkerung entsprach dies einer Grundsicherungsquote von 1,62 Prozent. Zwischen den Bundesländern differieren die Anteile zum Teil erheblich. Vor allem bei der Grundsicherung im Alter heben sich die fünf neuen Bundesländer deutlich positiv ab vom Rest der Republik.
Niedriglohnquoten 2021
Vollzeitbeschäftigte mit Niedriglohn in den Kreisen und kreisfreien Städten
22. Juli 2022 | Von den knapp 21,7 Millionen Vollzeitbeschäftigten Ende 2021 mussten sich knapp vier Millionen Personen oder 18 Prozent mit einem Niedriglohn begnügen - im Westen waren es knapp 3,1 Millionen Personen (17,4%), im Osten einschließlich Berlin rd. 0,8 Millionen Personen (20,9%). Auf Basis der bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle (Deutschland 2021: 2.344 EUR/M) konzentrieren sich die hohen Niedriglohnquoten in den Kreisen und Städten der ostdeutschen Bundesländer. Bei Rückgriff auf die regionalen Niedriglohnschwellen - West 2021: 2.417 EUR/M, Ost mit Berlin 2021: 2.004 EUR/M - finden sich die Niedriglohn-Hotspots hingegen in westdeutschen Städten und Kreisen.
Sinkflug der Erwerbsminderungsrenten scheint gestoppt
Erwerbsminderungsrenten-Zugang 2000 - 2021
Juni 2022 | Der durchschnittliche Zahlbetrag der 2021 gut 142.000 neu zugegangenen Renten wegen voller Erwerbsminderung (EM) mit Wohnort in Deutschland betrug im Westen 976 Euro und im Osten 991 Euro. Gegenüber dem Jahr 2000 entspricht dies einem Zuwachs von 28 Prozent (West) bzw. 38 Prozent (Ost). Damit konnte der Sinkflug der ersten Dekade (2011 gegenüber 2000) von minus 15 Prozent (West) bzw. minus 12 Prozent inzwischen mehr als wettgemacht werden. Diesen Eindruck gewinnt man, wenn sich der Blick alleine auf die Entwicklung der Zahlbeträge im jeweiligen Zugangsjahr richtet.
SGB II und SGB XII
Fürsorgedichte in Berlin - 2007 bis 2021
19. April 2022 | Am Jahresende 2021 bezogen rund 557.000 Berlinerinnen und Berliner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II oder im Alter und bei Erwerbsminderung nach SGB XII (Kapitel 4) bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII (Kapitel 3). Das waren 14,7 Prozent der Gesamtbevölkerung oder 147 Personen je 1.000 Einwohner. Gut jede(r) siebte in der Hauptstadt gemeldete EinwohnerIn war somit (ergänzend) auf eine der genannten Grundsicherungsleistungen angewiesen.
Rentenversicherungsbericht 2021
Gesamtversorgungsniveau hat nur geringen Erkenntniswert
24. November 2021 | Wie all die Jahre zuvor erweckt auch der neue Rentenversicherungsbericht wieder den Eindruck, die drastische Senkung des Rentenniveaus seit der Jahrhundertwende könne durch staatlich geförderte Privatvorsorge aufgefangen werden. »Das gesamte Versorgungsniveau aus Sicherungsniveau vor Steuern einschließlich einer Riester-Rente liegt über den gesamten Vorausberechnungszeitraum der Rentenzugänge zwischen gut 53% und knapp 55%« – heißt es dort. Diese Aussage aber hat so gut wie keinerlei Erkenntniswert.
Rentenanpassung 2022 – Rückkehr zum Nachholfaktor!?
Ein »Elefant« wird zur »Mücke«
11. November 2021 | Der Rentenversicherungsbericht 2021 projektiert für kommendes Jahr einen Anstieg des aktuellen Rentenwerts um 5,18 Prozent. Mit Bekanntwerden der Daten ertönte reflexartig der Ruf nach Rückkehr zum Nachholfaktor bei der Rentenanpassung. Bei der Quantifizierung der vermeintlichen Bevorteilung der Renten gegenüber den Löhnen gehen die Verfechter des Nachholfaktors allesamt einem grob verzerrenden statistischen Effekt auf den Leim – oder sie nutzen diesen Effekt bewusst für ihre politischen Ziele.
Rente mit 68? … Rente mit 70? … Reicht alles nicht!
Jedenfalls nicht bei diesem gesetzlichen Mindestlohn
22. Juni 2021 | Die Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ist mal wieder ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit gerückt. Der Wissenschaftliche Beirat beim BMWi fordert die »Rente mit 68«. Das iw plädiert sogar für die »Rente mit 70« und die FDP verspricht allen (scheinbar gegen den Trend) die »Rente mit 60«. Ein heilloses Durcheinander? – Keineswegs: Sie alle wollen die Altersgrenze de facto weiter anheben und somit denjenigen die Rente über steigende Abschläge kürzen, die vor dem Erreichen des Ziels aufgeben müssen. Gleichzeitig sprechen sich all die Genannten gegen eine deutliche Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns aus.
Rentnerinnen und Rentner – Gewinner der Pandemie?
Verqueres zu Corona-Krise und Altersbezügen
17. Mai 2021 | Im Windschatten der Pandemie macht sich verqueres Denken mittlerweile auch in der Rentendebatte breit. So werden die Rentner kurzerhand zu den ökonomischen Gewinnern der Corona-Pandemie erklärt. Dieser Gewinn summiere sich bis zum Jahr 2050 (!) auf angeblich fast 100 Milliarden Euro; entsprechend hoch falle die zusätzliche finanzielle Belastung der »Aktiven« aus, die das »Corona-Plus« bei den Renten am Ende stemmen müssten. Um das zu verhindern sei die befristete Deaktivierung des so genannten Nachholfaktors wieder aufzuheben. Was technisch verklausuliert daherkommt zielt am Ende auf die Rücknahme der 2018 vom Gesetzgeber verabschiedeten und zeitlich befristeten Niveaugarantie für die Rente.
Wird das Sicherungsniveau vor Steuern endgültig unbrauchbar?
Rentnererwerbstätigkeit erhöht das Rentenniveau
16. November 2020 | Das regelmäßig als Sicherungsniveau vor Steuern (SvS) ausgewiesene Rentenniveau droht ab kommendem Jahr noch ein Stück weit unbrauchbarer zu werden. Sollte der Gesetzgeber nicht rechtzeitig vor der Rentenanpassung 2021 entsprechende Korrekturen vornehmen, so wird das Rentenniveau auf Basis der Modellannahmen der Bundesregierung künftig dauerhaft rund einen Prozentpunkt höher ausgewiesen.
»Diffusionsniveau«
Ein zusätzlicher Maßstab für die Verteilungsposition der Renten
04. Mai 2020 | Ende März legte die Kommission Verlässlicher Generationenvertrag nach knapp zweijähriger Arbeit ihre Empfehlungen vor. Dort findet sich auch ein bislang kaum kommentierter Vorschlag: Die durch die Rentenversicherung erreichbare Verteilungsposition im Alter soll künftig nicht mehr nur an der Relation von verfügbarer Standardrente zum verfügbaren Durchschnittsentgelt (Rentenniveau) gemessen werden, sondern auch an der Höhe der verfügbaren Standardrente im Verhältnis zum durchschnittlichen Bedarf in der Altersgrundsicherung.
Der Vorschlag scheint geeignet, die Debatte rund um die Fürsorgeresistenz des Rentensystems ein Stück weit zu objektivieren und aus der argumentativen Umklammerung des gängigen – damit aber nicht unbedingt auch zielführenden – Verweises auf die relativ geringe Grundsicherungsquote von Altersrentnern herauszulösen.
Prozess systemischer Verschmelzung
Die Entwicklung von Grundsicherung und Altersrente seit 2003
15. Oktober 2019 | Der Anteil der Altersrenten, der durch Grundsicherungsleistungen aufgestockt wird, liegt seit einigen Jahren relativ konstant bei aktuell 2,6 Prozent. Der Anteil der Altersrenten mit einem Zahlbetrag unterhalb des durchschnittlichen Grundsicherungsbedarfs war zuletzt sogar rückläufig. Scheinbar konträr dazu steht der Befund einer seit dem Paradigmenwechsel in der Alterssicherungspolitik zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts deutlich fortgeschrittenen systemischen Verschmelzung von Grundsicherung und Altersrente.