Gutachten Zeiten der Arbeitslosigkeit
Gemeinsame Bewertung von BMI, BMJV, BMAS des von MdB Schiewerling übersandten Gutachtens vom 19.3.2014
Die in dem von MdB Schiewerling übersandten Gutachten dargestellten Lösungsansätze zur Eingrenzung von Arbeitslosigkeitszeiten bei der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren und zur Vermeidung von Frühverrentungsmodellen werden verfassungsrechtlich wie folgt bewertet:
I. Stichtagsregel
Die von MdB Schiewerling vorgeschlagene kalendarische Stichtagsregelung, welche die Anrechnung von Arbeitslosigkeitszeiten für die Zukunft generell ausschließt, geht allein zur Missbrauchsbekämpfung zu weit. Die Vermeidung von Frühverrentungen ist nicht ausreichend, um die Verfassungskonformität einer Stichtagsregelung zu begründen. Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang auch Zelten der Arbeitslosigkeit in die Wartezeit einbezogen werden sollen, ist vorrangig eine rentenpolitische Entscheidung, keine verfassungsrechtliche.
Die Regelung müsste sich an Art. 3 Abs. 1 GG messen lassen, der eine Gleichbehandlung des wesentlich Gleichen gebietet und Gleichbehandlung des wesentlich Ungleichen verbietet. Es wird hier nicht unmittelbar an das Alter der Betroffenen angeknüpft, sondern ein kalendarisch bestimmter Stichtag gewählt. Nach der Rspr. des BVerfG ist es dem Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Einführung des Stichtages und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientieren und damit sachlich vertretbar sind (vgl. nur BVerfG 117, 272, 301).
Allerdings ist die Judikatur des BVerfG zu den Kontrollmaßstäben bei der Gleichheitsprüfung nicht so stark konturiert und verallgemeinerungsfähig, als dass ausgeschlossen werden könnte, dass das Gericht hier nicht (ergänzende) Verhältnismäßigkeitsbetrachtungen anstellen würde. Dafür spricht insbesondere, dass die betroffenen Altersjahrgänge bestimmbar wären. Damit knüpft diese Stichtagsregelung mittelbar an das Alter an. Die Verhältnismäßigkeit ist primär anhand des Regelungszwecks zu beurteilen.
Nach dem von MdB Schiewerling vorgelegten Gutachten werden mit der Stichtagsregelung mehrere Ziele verfolgt:
- Das von MdB Schiewerling dargelegte Hauptziel der Stichtagsregelung ist, für die Zukunft eine Rückkehr zu den geltenden Bedingungen der Rente für besonders langjährig Versicherte (d.h. keine Anrechnung von Zelten der Arbeitslosigkeit) zu erreichen.
Zur Begründung wird von MdB Schiewerling darauf hingewiesen, dass mit der Rente ab 63 eine befristete Sonderregel geschaffen werden solle, so dass es legitim sei, auch hinsichtlich der Wartezeiten mittels der Stichtagsregelung wieder zu den bisherigen Voraussetzungen zurückzukehren.
Als Zeitpunkt für den Beginn des langfristigen „Wieder-Herauswachsens“ aus der Anrechnung von Arbeitslosengeld I-Zeiten auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sonderregelung abzustellen, ist möglich, bedarf im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG allerdings noch einer genauen Begründung.
- Nebenfolge soll nach dem Gutachten die Vermeidung von Frühverrentungen sein (im Sinne einer Unterbindung von Gestaltungsmissbrauch im Vorfeld des herabgesetzten Renteneintrittsalters).
Zur Erreichung dieses Ziels ist die Stichtagsregelung, nach der nur Zeiten der Arbeitslosigkeit aus der Vergangenheit berücksichtigt werden, geeignet. Die unten zu II. 1 genannten Maßnahmen erscheinen im Hinblick auf die Vermeidung von Frühverrentungen jedoch deutlich zielgenauer. Eine kalendarische Stichtagsregelung, welche die Anrechnung von Arbeitslosigkeitszelten für die Zukunft generell - und nicht begrenzt auf „missbrauchsrelevante“ Zelten im Vorfeld des Renteneintritts - ausschließt, ginge daher allein zur Missbrauchsbekämpfung zu weit. Verfassungskonform wäre die Regelung dann, wenn sie sich mit den zuvor genannten Zielen hinreichend rechtfertigen lässt. Die sachgerechte Eingrenzung der anrechenbaren Arbeitslosigkeitszeiten und die Rückkehr zu den geltenden Bedingungen der Rente für besonders langjährig Versicherte sind grundsätzlich solche Ziele. Die Vermeidung von Frühverrentungen ist insofern lediglich ein - erwünschter - Nebeneffekt einer solchen Stichtagsregelung.
II. Alternativen
Den als Alternativen zur Stichtagsregel diskutierten Regelungsvorschlägen ist gemein, dass sie - anders als die Stichtagsregelung - ausschließlich die Vermeidung von Frühverrentungen bezwecken.
1. Rentenrechtliche Anknüpfung an Sperrzeiten und Erstattungsregelung
Der zielgenaueste Vorschlag zur Verhinderung missbräuchlicher Frühverrentungen ist die u,g. Kombination einer rentenrechtlichen Anknüpfung an die Sperrzeitregelung für Arbeitnehmer und einer Erstattungspflicht für Arbeitgeber.
a) Rentenrechtliche Anknüpfung an die Sperrzeitregelung
Mit der Anknüpfung an die Sperrzeitregelung wird bezweckt, möglichst zielgenau Frühverrentungssachverhalte zu verhindern. Danach sollen Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs nicht für die Wartezeit bei der abschlagsfreien Rente ab 63 berücksichtigt werden, wenn sich der Arbeitslosengeldbezug an eine zwölfwöchige Sperrzelt nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB III anschließt und diese in den letzten zwei Jahren vor Beginn der Altersgrenze für besonders langjährig Versicherte liegen. Es wird eine generelle Altersgrenze (hier zwei Jahre vor möglichem Rentenbeginn) eingeführt.
Die Regelung müsste sich also in zweifacher Hinsicht an Art. 3 Abs. 1 GG messen lassen. Zum einen würden Beschäftigte, die noch nicht das 61. Lebensjahr erreicht haben, bzw. ein Lebensalter in den letzten zwei Jahren vor Beginn der Altersrente für besonders langjährig Versicherte erreicht haben, besser behandelt werden als ältere Beschäftigte. Für die erstgenannte Gruppe zählen Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs auch dann als Wartezeit, wenn sie an eine Sperrzeit nach § 159 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB III anschließen. Zum anderen würden Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs nach einer solchen Sperrzeit anders behandelt als sonstige Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs.
aa) Prüfmaßstab
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 117, 272, 300 zur Verringerung einer rentenrechtlichen Vergünstigung).
bb) Kontrolldichte
Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen verschärfen sich, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 130, 240, 252 ff.). Soweit die Regelung an das Alter der Betroffenen anknüpft, wählt sie eine Voraussetzung, die von dem Einzelnen nicht zu beeinflussen ist. Dies spricht für einen gesteigerten Kontrollmaßstab, auch wenn dieses Merkmal nicht in Art. 3 Abs. 3 GG genannt Ist (vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rdnr. 19 m.w,N.). Andererseits muss berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber im Bereich des Sozialversicherungsrechts besonders zu Typisierungen und Pauschalisierungen berechtigt ist und bei Reformen übergangsweise besonders weite Spielräume genießt (vgl. nur Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rdnr. 83 rn.w.N. aus der verfassungsgerichtlichen Rspr.). Zudem geht es hier nicht um eine Belastung, sondern um den Ausschluss von einer begünstigenden Regelung. Im Ergebnis spricht daher vieles dafür, jedenfalls nicht von einer erhöhten Kontrolldichte bei der Gleichheitsprüfung auszugehen.
cc) Bewertung der Sperrzeitregelung
Das gesetzgeberische Ziel müsste nach diesen Maßstäben einen legitimen Zweck erfüllen. Die Ungleichbehandlung müsste geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne zur Zielerreichung sein. Die Vermeidung arbeitsmarkt- und sozialpolitisch nicht erwünschter Frühverrentungen kommt als legitimes Regelungsanliegen in Betracht. Insbesondere dürfte es der Gesetzgeber darauf anlegen zu verhindern, dass Personen, die mit 61 Jahren (bzw. zwei Jahren vor Erreichen der Altersgrenze für besonders langjährig Versicherte) die Wartezeit für die Rente ab 63 noch nicht erfüllt haben, ihr Arbeitsverhältnis auflösen, um die fehlende Wartezeit mit Zeiten der Arbeitslosigkeit zu erreichen. Es würde also der Fehlanreiz vermieden, zulasten der sozialen Sicherungssysteme Arbeitslosigkeit gezielt herbeizuführen.
(1) Die Regelung sanktioniert vorwerfbar herbeigeführte Arbeitslosigkeit. Sie ist damit geeignet, missbräuchlichen Frühverrentungen vor dem 63. Lebensjahr entgegenzuwirken. Verursacht der Beschäftigte versicherungswidrig seine Arbeitslosigkeit und tritt dadurch eine Sperrzeit ein, verhindert die hieran anknüpfende Regelung, dass er durch einen (Wieder-) Bezug von Arbeitslosengeld nach dem Ende der Sperrzeit mit diesen Bezugszeiten die Wartezeit erfüllen kann.
(2) Es ist auch kein milderes Mittel zur Zielerreichung ersichtlich.
(3) Bei der Prüfung ist die Angemessenheit der Regelung zu beachten. Einer Sperrzeit nach § 159 SGB III ist stets ein versicherungswidriges Verhalten des Beschäftigten vorausgegangen. Dies dürfte jedenfalls dann ein besonders aussagekräftiges Indiz für eine gesetzgeberisch nicht erwünschte Gestaltung der Erwerbsbiografie sein, wenn sie - wie hier vorausgesetzt - in einer Altersphase erfolgt, in der der Betroffene versicherungswidrig, aber gleichwohl folgenlos eine gezielte Arbeitslosigkeit herbeiführen könnte. Nur Beschäftigte zwei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze für besonders langjährig Versicherte können vor einer Alternative stehen, in der (selbst verursachte) Arbeitslosigkeit nach Ende der Sperrzeit und Weiterarbeiten gleich sicher zur Erfüllung der Wartezeit führen. Nur wer während seiner (selbst verursachten) Arbeitslosigkeit in die Rente „hineingleiten" kann, wäre hinreichend sicher, dass ihm das für die Rente ab 63 nicht schadet. Dies spricht dafür, dass gerade bei diesen Beschäftigten Fehlanreize bestehen können, sich für die Arbeitslosigkeit zu entscheiden. Wer seine Arbeitslosigkeit zu einem früheren Zeitpunkt verursacht hat, müsste damit rechnen, dass seine Nichtbeschäftigung wartezeitschädlich wird, weil er die Höchstbezugsdauer für das Arbeitslosengeld erreicht hat. Deshalb erscheint die Sperrzeitregelung in der Zusammenschau ihrer beider Differenzierungskriterien auch als angemessen.
b) Erstattungsregelung
Mit der Erstattungsregelung werden Arbeitgeber verpflichtet, im Falle einer durch sie zu verantwortenden Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer, der Bundesagentur für Arbeit das Arbeitslosengeld einschließlich der darauf entfallenen Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten. Die Erstattungsregelung hat die Lenkungsfunktion, eine Entlassung älterer Beschäftigter möglichst zu vermeiden. Kommt es dennoch zur Arbeitslosigkeit, hat sie die Entlastungsfunktion, die Kosten für die Arbeitslosenversicherung zumindest teilweise zu kompensieren. Eine solche Regelung galt bereits von 1982 bis 2006.
Die Wiedereinführung der Erstattungsregelung würde die Arbeitgeber in ihrem Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsausübungsfreiheit) berühren.
Im Hinblick darauf hat das BVerfG die Pflicht der Arbeitgeber zur Erstattung des Arbeitslosengeldes nach der Vorgängerregelung des § 128 AFG im Wesentlichen für verfassungsgemäß gehalten (BVerfGE 81, 156; Nichtannahmebeschluss vorn 9.9.2005 - 1 BvR 620/01). Aktuell sind die Frühverrentungsrisiken im Vergleich zum früheren Kontext eher niedriger einzustufen (z.B. Fachkräftemangel). Allerdings ist durch die Einführung der befristeten Sonderregelung zur abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu befürchten, dass von der Regelung Fehlanreize ausgehen, dem Renteneintritt gezielt eine Zeit des Arbeitslosengeldbezuges vorzuschalten. Eine Wiedereinführung zieht damit ihre Legitimation - wie die frühere Regelung - aus der Verhinderung der sog. Frühverrentung zulasten der Arbeitslosenversicherung. Der Gesetzgeber darf dabei seinen weiten Einschätzungsspielraum nutzen. Damit dürfte sich eine Erstattungsregelung, die sich an diesen Vorschriften und den Maßgaben des BVerfG orientiert, ebenfalls der Verfassung genügen.
c) Kombination von Sperrzeit- und Erstattungsregelung
Da die Maßnahmen jeweils für sich genommen verfassungsrechtlich gerechtfertigt erscheinen und sich für einzelne Grundrechtsträger nicht kumulierend auswirken, bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Kombination aus beiden.
2. Ausschluss von Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld von der Anrechnung auf die 45jährige Wartezeit, wenn diese in den letzten zwei Jahren vor Beginn der Altersrente für besonders langjährige Versicherte liegen
Auch diese Regelung müsste sich an Art. 3 Abs. 1 GG messen lassen. Es bestehen verfassungsrechtliche Risiken, sofern nicht plausibel begründet werden kann, dass es sich bei Vorliegen von Arbeitslosigkeit zwei Jahre vor Rentenbeginn i.d.R. um eine verschuldete Arbeitslosigkeit handelt.
Diese Variante unterscheidet sich von der Sperrzeitregelung dadurch, dass sie eine generelle Altersgrenze (hier: zwei Jahre vor Rentenbeginn) vorsieht und spätere Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld auch dann nicht für die Wartezeit berücksichtigt, wenn der Betroffene diese nicht durch versicherungswidriges Verhalten i.S.v. § 159 SGB III verursacht hat. Dadurch kann sie zum einen auch Personen erfassen, bei denen kein Mitnahmeeffekt vorliegt und deren Arbeitslosenzeiten nach der Entscheidung des Gesetzgebers potenziell berücksichtigungsfähig sind. Diesen Personenkreis im Rahmen einer typisierenden Regelung zur Verhinderung von Fehlanreizen auszuschließen, würde in der Gesetzesbegründung eine fachliche Darlegung erfordern, in welchem Umfang in diesem Zeitraum ein Fehlverhalten zu erwarten ist. Die Beibringung einer solchen Begründung könnte unter Umständen mit Schwierigkeiten behaftet sein.
Des Weiteren käme dieser Vorschlag unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit dann in Betracht, wenn er geeigneter wäre, die bereits genannten Fehlanreize zugunsten einer Frühverrentung zu verhindern, als die unter II.1 genannte Erstattungsregelung und die Anknüpfung an Sperrzeiten. Dies ist prima facie nicht ersichtlich.
3. Erfordernis einer überwiegenden Beschäftigung in den letzten 24 Monaten vor Rentenbeginn
Dieser Vorschlag ist einerseits weniger geeignet als die vorgenannten Maßnahmen, denn er würde zwar Frühverrentungen mit 61 (also 24 Monate vor Renteneintritt) verhindern, aber nicht ausschließen, dass für die letzten 11 Monate (nach 13-monatiger Beschäftigung innerhalb des fraglichen Zeitraums) Arbeitslosigkeit angerechnet würde und daher eine Frühverrentung jedenfalls zu diesem Zeitpunkt möglich bliebe. Andererseits hätte er überschießende Wirkung. Er würde auch diejenigen ausschließen, die schon vor den letzten 24 Monaten die Wartezeit erfüllt haben, in den letzten 24 Monaten aber nicht überwiegend beschäftigt waren.
4. Anrechnung von jeweils nur einem Jahr pro Arbeitslosigkeitsphase
Diese Regelungsvariante verfolgt als einzige Ausnahme der Alternativregelungen zur Stichtagsregelung mehrere Zwecke und ist verfassungsrechtlich mit entsprechender Begründung möglich:
- Zum einen betont die Regelung den Regelungszweck des Gesetzentwurfs, die Privilegierung besonders langjähriger versicherungspflichtiger Beschäftigung und definiert den Zeitraum einer kurzfristigen Unterbrechung der Erwerbsbiografie für alle Betroffenen gleich. Anrechenbare Zeiten des Arbeitslosengeld I-Bezugs werden gedeckelt.
- Zum anderen wird als Nebeneffekt die Gefahr von Frühverrentungen abgemildert.
Ähnlich wie bei der Variante des Erfordernisses einer Beschäftigung in den letzten 24 Monaten vor Rentenbeginn würde auch hier die Gefahr von Frühverrentungen auf den Zeitraum von einem Jahr vor Renteneintritt gemindert. Auch diese Regelung ist damit bezogen auf das Ziel der Missbrauchsvermeidung weniger wirksam als die unter II.1 genannte Variante.
Die Begrenzung der Anrechnung auf jeweils ein Jahr pro Arbeitslosigkeitsphase erscheint aber im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel der abschlagsfreien Rente ab 63 sachlich hinreichend begründbar. Hierfür lässt sich auf die regelmäßige Höchstbezugsdauer von Arbeitslosengeld I von 12 Monaten und dessen Charakter als typischerweise kurzzeitige Überbrückungsmaßnahme abstellen.