Trend zu früherem Rentenbezug ist rückläufig

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in der Kritik

Babyboomer und die Altersrente mit 63 – schöne Story, aber falsch!

Dagmar Pattloch* | Dezember 2022

Am 10. Dezember gab das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung eine Pressemitteilung heraus mit dem Titel »Renteneintritt der Babyboomer: Für viele ist schon mit 63 Schluss«.

Diese Aussage wird nicht mit Zahlen untersetzt. Kein Wunder, dass verschiedene Medien dies ungenau abgeschrieben und noch ungenauer weiterverbreitet haben. Aus »viele« wird dann bei der Tagesschau leicht »besonders viele«. »Viele« - das reicht fürs Storytelling aus. Es wird ein Trend suggeriert. 

Tatsächlich sagen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Bund und der amtlichen Statistik für die Jahre 2016 bis 2021 etwas völlig anderes aus. Es handelt sich bei den folgenden Daten um eine Sonderauswertung des Rentenbestandes der Renten wegen Alters nach SGB VI - Wohnort Deutschland. Der Wohnort Deutschland ist wichtig, denn dadurch lässt sich der Rentenbestand auf die altersgleiche Bevölkerung in Deutschland laut amtlicher Statistik umrechnen. Die dabei entstehenden Quoten werden hier als Prävalenz bezeichnet. Hierbei ist zu beachten, dass 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland nie eine Altersrente der DRV beziehen - mutmaßlich weil sie keine Rentenanwartschaften haben.

Prävalenz von Altersrente - Männer

Es zeigt sich, dass in Deutschland lebende 63-jährige Männer eine stark sinkende Prävalenz von Altersrente haben. Diese Prävalenz sank zwischen 2016 und 2021 von 31 Prozent auf 10 Prozent. Auch bei 64-jährigen Männer ist ein klarer Abwärtstrend zu sehen (von 46% nach 40%), und besonders stark ist er erneut bei den 65-Jährigen (von 72% nach 51%). Bei 63-jährigen Frauen ist ein Rückgang von 30 Prozent auf 14 Prozent zu verzeichnen, bei 64-jährigen Frauen von 44 Prozent auf 39 Prozent, bei 65-jährigen Frauen von 74 Prozent auf 50 Prozent.

Es ist also völlig falsch, die Inanspruchnahme von Altersrente mit 63 oder 64 Jahren als wachsendes Problem darzustellen. Der Trend ist vielmehr eindeutig so, dass die Prävalenz von Rente mit 63, 64 und 65 Jahren rückläufig ist.

Prävalenz von Altersrente - Frauen

Übrigens: Wer jetzt noch von »abschlagsfreier Rente ab 63« schreibt, macht sich der Desinformation schuldig. Der Begriff ist bereits historisch und sollte auch nur noch so verwendet werden. Er galt für die bis 1952 Geborenen. Für alle Jüngeren – darunter die Babyboomer – steigt auch die Altersgrenze für besonders langjährig Versicherte und wird bei den 1964 Geborenen 65 Jahre erreichen. 

Rentenbestand, Renten wegen Alters nach SGB VI - Wohnort Deutschland

Fortschreibung des Bevölkerungsstandes Deutschland

Prävalenz (Rentenquote)

 

* Dr. Dagmar Pattloch hat einen M.A. in Soziologie, einen Doctor of Public Health und einen M.Sc. in Epidemiology. Der Textbeitrag entstand unabhängig von ihrer beruflichen Tätigkeit und spiegelt allein die Position der Autorin wieder.