Anzahl der Bezieherinnen und Bezieher von Altersgrundsicherung steigt deutlich

Anzahl der Bezieherinnen und Bezieher von Altersgrundsicherung steigt deutlich

17.07.2023 | Am vergangenen Freitag veröffentlichte das Statistische Bundesamt neue Quartalszahlen zur Grundsicherung im Alter . Demnach bezogen im März 2023 insgesamt 684.360 Personen ab der Regelaltersgrenze Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII. Das waren 25.820 Personen oder 3,9 Prozent mehr als im Dezember 2022. Im Vorjahresvergleich stiegen Anzahl und Anteil sogar um 90.160 Personen bzw. 15,2 Prozent.

Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte der Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Dietmar Bartsch, dazu: »Jedes Quartal kommen Menschen in der Größenordnung einer Kreisstadt bei der Altersarmut dazu. Die Zahlen sind alarmierend und auch Ergebnis der verheerenden Politik der letzten Jahre. Inflation und Krieg treiben die Zahlen besonders an.« Neben Ukraine-Flüchtlingen seien es vor allem die Rentner hierzulande, die die steigenden Preise nicht mehr bezahlen könnten und in Altersarmut rutschen, zitiert ihn das Hamburger Abendblatt weiter .

Was treibt aktuell die Anzahl der Älteren im Grundsicherungsbezug in die Höhe? Welche Rolle spielen Inflation und Krieg – und gibt die aktuelle Entwicklung Anlass zur Dramatisierung?

Altersgrundsicherung

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Krieg: Seit Juni 2022 sind aus der Ukraine Geflüchtete dem Rechtskreis des SGB XII (bzw. SGB II) zugeordnet und können damit ab Erreichen der Regelaltersgrenze auch Alters-Grundsicherung beziehen; zuvor fiel diese Personengruppe in den Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes. Ein Großteil des Anstiegs der Zahlen im Juni 2022 gegenüber März 2022 ist demnach auf die Ausweitung des Empfängerkreises zurückzuführen. Bemerkbar machte sich dies auch in einem kurzfristigen Rückgang des durchschnittlichen Bruttobedarfs – u.a. wegen deutlich geringerer Pro-Kopf-Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) der Geflüchteten aus der Ukraine. Auch die gestiegene Anzahl der Leistungsbeziehenden im März 2023 gegenüber März 2022 (+ 15,2%) ist weitgehend der Einbeziehung ukrainischer Flüchtlinge ins SGB geschuldet.

Inflation: Demgegenüber spielt die Inflation für die steigende Anzahl der Empfängerinnen und Empfänger von Altersgrundsicherung nur indirekt eine Rolle; steigende Preise führen nicht unmittelbar und zwingend auch zu steigenden Grundsicherungszahlen. Am ehesten zu vermuten wäre ein solcher (direkter) Zusammenhang bei den Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Statistik weist aktuell allerdings keine signifikant höhere Kostensteigerung im Vergleich zu den Vorjahren aus (Spalten [8] bis [10]). Preissteigerungen gehen seit dem Bürgergeldgesetz zeitnäher in die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen ein. So wurde etwa der sogenannte Eckregelsatz (Regelbedarfsstufe 1) zu Beginn des Jahres um 11,75 Prozent von 449 Euro auf 502 Euro erhöht; davon entfielen rd. 6,9 Prozent auf die zeitnähere Berücksichtigung der regelbedarfsrelevanten Preisentwicklung. Höhere Regelsätze haben ceteris paribus eine Ausweitung des Kreises der Leistungsberechtigten zur Folge. Gerade weil die Inflation seit Jahresbeginn zeitnäher Eingang in die Ermittlung der Regelbedarfe gefunden hat sind die Empfängerzahlen im März gegenüber dem Vorquartal mit 3,9 Prozent stärker als im langfristigen Trend gestiegen. Ob die auf eine Leistungserhöhung zurückzuführende Zunahme der Leistungsbeziehenden mit steigender Altersarmut gleichgesetzt werden kann ist seit langem ein Streitpunkt in der Armutsdebatte.

Wohngeld-Plus-Gesetz: Ein weiterer, allerdings schwer zu separierender, Einflussfaktor geht zurück auf das zu Jahresbeginn in Kraft getretene Wohngeld-Plus-Gesetz. Mit dem Ziel der Vermeidung von Verwaltungsmehraufwand der aus dem Nachrangprinzip der Fürsorge im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Bürgergeldgesetzes zum 01.01.2023 resultiert, gilt für SGB II wie für SGB XII eine zeitlich begrenzte Ausnahmeregel: Abweichend vom Nachrangprinzip der Sozialhilfe sind Leistungsberechtigte für am 31.12.2022 laufende Bewilligungszeiträume oder Bewilligungszeiträume, die in der Zeit von Januar bis Juni 2023 beginnen, nicht verpflichtet Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz in Anspruch zu nehmen. Personen, die durch einen seit Jahresbeginn erhöhten Wohngeldanspruch die Grundsicherung hätten verlassen können oder erst gar nicht in die Grundsicherung gerutscht wären, verbleiben dadurch im Fürsorgebezug.

Zur Dramatisierung besteht angesichts der gestiegenen Anzahl von Bezieherinnen und Beziehern von Altersgrundsicherung bislang kein Anlass.